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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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Nachbarn zu. »Toboggans liegen Wyatt mehr als Schlitten«, sagte er. »Aber er wird schon zurechtkommen.«
    »Mr. Hillyer!«
    Der Friedensrichter warf wieder einen Blick auf seine Unterlagen. »Also, Sie haben Ihren Neffen gebeten, Hans Mohring zum Abendessen einzuladen?«
    »Nein, nein – wer hätte denn kochen sollen?«
    Die Leute lachten, und dem Friedensrichter blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis sie aufhörten, denn alle, die uns kannten, wussten, dass meine Tante Constance Tilda – die selbst eine prima Köchin war – nur samstags kochen ließ und dass mein Onkel sich nicht mal ein Ei zubereiten konnte. Ja, Mr. Junkins gestattete sich selbst ein leises Lächeln. Ich glaube, er erkannte, dass sich die Leute nicht über das Gericht lustig machten, sondern einfach das Bedürfnis hatten, das Ganze ein bisschen aufzulockern, da es immerhin um einen Mord ging.
    »Friedensrichter Junkins«, sagte mein Onkel, »ich weiß nicht, wo Sie geboren und aufgewachsen sind, und auch nicht, wie die Leute dort denken. Aber glauben Sie mir, wenn man das Meer beschmutzt, dann rächt sich das zehnfach. Also, ich habe
hier eine Liste aufgestellt – lassen Sie mich vortragen, wann ich mit Sicherheit das Meer beschmutzt habe.« Mein Onkel griff in eine Tasche seines Jacketts und zog ein Blatt Papier heraus, dann begann er zu lesen. »Zum ersten Mal mit zehn Jahren. Ich war mit Paul Amundson in einem kleinen Boot draußen. Wir waren gleich alt, Pauls Familie stammte aus Norwegen. Wir haben gefischt. Damals gingen wir natürlich oft fischen, aber an diesem Tag hat nur er etwas gefangen und ich gar nichts. Er hatte einen ganzen Eimer voll. Nachdem wir zurückgerudert waren und aus dem Boot stiegen, tat ich so, als würde ich stolpern, und warf seinen Eimer mit den Fischen ins Meer. Klingt nach einem harmlosen Streich aus Neid, nicht wahr? Aber Paul wusste, dass ich es absichtlich getan hatte, obwohl wir kein Wort darüber sprachen. Ich habe Neid und Betrug aus diesem Eimer ins Meer gegossen, und damit habe ich es beschmutzt …«
    »Es reicht!«, warf Junkins ein. »Sie können Ihre Liste Mrs. Teachout vorlegen.«
    Lenore Teachout stand von ihrem Tisch auf und holte die Liste, dann setzte sie sich wieder und begann sie sofort in ihr Protokoll zu übertragen. Aber mein Onkel wartete nicht, bis sie fertig war. »… ich springe weiter zu Nummer zehn. Ich habe das Meer beschmutzt, indem ich Hans Mohrings Leiche hineinwarf. «
    Was er dann sagte, das wollte er, glaube ich, gar nicht sagen, aber er tat es doch. »Draußen in der Fundy-Bucht. Mein Neffe hat mir dabei geholfen – auf meine Anweisung.«
    Draußen hatte es sich inzwischen aufgehellt, aber man sah durch die Fenster der Bibliothek noch einen Vorhang aus Regen und dunklen Wolken draußen über dem Minas-Becken. Ich drehte mich auf meinem Stuhl um und bemerkte, dass sich
noch mehr Leute in der Bibliothek drängten als am Vormittag. Ich sah zu Tilda hinüber. Sie trug jetzt ein Kleid von meiner Tante. Es war weiß mit großen weißen Knöpfen und einer schwarzen Muschelstickerei über zwei breiten Taschen. Es war leicht ausgefranst am Saum und war Tilda ein bisschen zu weit. Ich glaube, es hat sie irgendwie getröstet, das Kleid zu tragen.
    Mein Onkel fuhr aus eigenem Antrieb fort: »… an diesem Abend kam der deutsche Student herüber. Wyatt hatte ihn geholt, das hatte ich ihm so aufgetragen. Ich erinnere mich an das Gewicht der Kufe in meiner Hand. Oh, und an den Regen erinnere ich mich auch, und dann schlug ich mit der Kufe zu. Ich weiß nicht, was er gespürt hat, aber es war sicher nicht so, als würde die Hand Gottes das Lamm streicheln, wie Constance Bates-Hillyer zu sagen pflegte, wenn zum Beispiel bei einem Gemeindefest der Wind einem Kind das Haar zerzauste.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass es überhaupt nicht so war«, bemerkte Friedensrichter Junkins trocken.
    »Nein, das war es nicht. Das war es nicht.«
    »Und als Mr. Mohring tot war, fuhren Sie mit ihm auf das Meer hinaus.«
    »Wir wickelten ihn in eine Plane und banden ihn an einen Schlitten. Wir hoben ihn auf die Ladefläche und fuhren zum Hafen in Parrsboro. Wir nahmen das Boot meines alten Freundes Leonard Marquette …«
    Leonard Marquette erwiderte von seinem Platz in der dritten Reihe: »Zu irgendeinem anderen Zweck hättest du mein Boot gern ausleihen dürfen, ohne zu fragen, Donald … aber dieses Deck bekomme ich nie mehr richtig sauber, egal wie ich es auch schrubbe. Mir bleibt nichts

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