Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
Vom Netzwerk:
übrig, als das verdammte Ding gleich zu verkaufen.«

    »Leonard, ich kann nicht rückgängig machen, was ich getan habe«, antwortete mein Onkel.
    »Das genügt«, verkündete der Friedensrichter. »Ich habe Ihre vollständige Aussage schriftlich hier vor mir liegen. Ich kann Ihnen allen versichern, dass ich sie eingehend studieren werde. «
    »… da draußen auf deinem Boot, Leonard, das war wirklich seltsam«, fuhr mein Onkel fort. Und Friedensrichter Junkins sah, dass alle Anwesenden es hören wollten und dass es in gewisser Weise auch angebracht war, meinen Onkel ausreden zu lassen. »Ich hatte eine schreckliche Vision … als wir da draußen im Dunkeln waren, mein Neffe und ich. Ich sah auf einmal ein deutsches U-Boot an die Oberfläche steigen und einen Haufen deutsche Matrosen aus der Luke klettern. Einfach um ein bisschen gute kanadische Luft zu atmen. Also, sie kommen raus, und einer ruft: ›Jetzt schau dir das an!‹ Natürlich kann das nicht wirklich geschehen sein. Natürlich nicht. Aber es zeigt, wie es in mir drin ausgesehen hat in meiner Verzweiflung – Gott strafe mich, aber das zeigt, wie es in dieser Nacht in mir drin ausgesehen hat.«

GEISTERKIND
    Einige unter den ältesten Bewohnern von Middle Economy verwenden den Ausdruck vielleicht heute noch, aber es war einmal sehr gebräuchlich, dass ein Kind, das vor der Geburt starb, ein Geisterkind genannt wurde. Das drückt wohl aus, dass ein Kind fort ist und doch immer noch irgendwie da. Ich kann mich erinnern, als eine Freundin von Constance, eine gewisse Lillian Swinaver, eine Fehlgeburt hatte, da sagte meine Tante: »Armes kleines Geisterkind.« Dann war da eine Frau namens Anna How, die in Glenholme lebte und vier Fehlgeburten hatte. Es heißt, dass sie einmal bei einem Gemeindefest zusammen mit ihrem Mann an einem Tisch saß, der für sechs Personen gedeckt war. »Wir sind eben eine stille Familie«, soll sie gesagt haben.
    Und dann war da Tilda Hillyer, die am 2. Januar 1943 ein Kind verlor. Cornelia hatte es mir in dem einen Brief mitgeteilt, den sie mir ins Rockhead Prison schickte, das hinter Africville nördlich von Halifax lag. Der Brief war vom 5. Januar und brauchte, über Umwege, zehn Tage, bis er bei mir ankam.
    Lieber Wyatt,
    unsere Tilda hat ihr Kind verloren, und ich kümmere mich für eine Weile um sie, weil es jetzt keine Krankenschwester
braucht, sondern einfach nur ein bisschen Einfühlungsvermögen und gesunden Menschenverstand, wie Dr. Bryce Stady aus Montrose meinte, der sie untersucht hat und Tilda über Nacht in seinem Gästezimmer behielt. Mrs. Stady ist in solchen Dingen sehr praktisch, und sie kümmerte sich um Tilda. Ich habe eine Karte mit Briefmarke beigelegt, mit der du ihr alles Gute wünschen kannst – ich vermute, dass du solche alltäglichen Dinge im Moment nicht kaufen kannst. Du solltest ihr die Karte schicken.
    Von Reverend Witts Kanzel kommen oft Gebete, und weniger für Hans Mohring, muss ich sagen, als vielmehr Gebete um Vergebung für Donald, und das gefällt manchen meiner Kunden nicht so besonders, während andere es in Ordnung finden. Ich würde sagen, die Meinungen hier im Ort halten sich ungefähr die Waage. Tilda hat jedenfalls einen langen Brief an Hans’ Eltern in Dänemark geschrieben. Die Adresse hat sie vom Präsidenten der Dalhousie University persönlich erhalten, habe ich gehört. Tilda kann ja wirklich gut mit Worten umgehen, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, was sie geschrieben haben mag. Sie hofft, dass der Brief ankommt. Nun, Wyatt, dann bis bald – nur fürchte ich, es wird nicht so bald sein. Vorausgesetzt, du willst überhaupt noch einmal nach Hause zurückkehren – doch vielleicht siehst du Middle Economy ja nicht mehr als Zuhause. Was in meinen Augen verständlich wäre, aber trotzdem ein Fehler.
    Cornelia Tell
    Unmittelbar nach der Verhandlung war Donald von zwei Polizisten der RCMP zurück ins Gefängnis von Truro gebracht worden und später ins Dorchester Prison, wo er für den Rest
seines Lebens bleiben würde. Dann, am 10. Dezember, fuhr mich Cornelia nach Halifax. Nachdem ich eigentlich der RCN angehörte, wurde ich ins Militärgefängnis in der Nähe der Zitadelle im Zentrum von Halifax überstellt, doch die Navy entließ mich schon nach einer Woche.
    Und so kam es, Marlais, dass dein Vater diesem Land keinen einzigen Tag im Krieg gedient hat.
    Da noch eine Menge anderer Fälle darauf warteten, behandelt zu werden, bekam ich erst am 15. Dezember 1942 eine

Weitere Kostenlose Bücher