Der Schlitzer
Suko davon aus, daß er traf. Aus dem Handgelenk schlug er zu. Die drei Riemen jagten von unten her in die Höhe, sie fächerten auch auseinander, und sie trafen die Gestalt am Kopf.
Für Suko sah es aus, als würde der Schädel von drei dicken Fäden umschlossen, und er hörte plötzlich einen gurgelnden, aber gleichzeitig sehr fernen Schrei.
Der Schatten vor ihm geriet ins Zittern. Er zuckte hin und her, ein weiterer Schrei gellte in der Ferne auf, und als der Inspektor zu einem zweiten Schlag ausholte, da war die Gestalt verschwunden. Sie hatte sich in Windeseile aufgelöst.
Suko schaute in einen leeren Korridor. Sekundenlang dachte er an nichts. Er beugte sich vor, merkte, daß er sich entspannte, und nun fiel ihm das Brennen an seiner rechten Hüfte erst richtig auf. Zwei Schritte ging er auf die Lampe zu, weil er dort besser sehen konnte. Er sah das Blut und auch die zerrissene Kleidung. Glück gehabt, dachte er, nur ein Kratzer. Die Klinge hätte ihn auch aufschlitzen können. Ohne sich um Shelly vorerst zu kümmern, ging er ins Bad und fand dort in einem Schrank ein Pflaster, das er auf die Wunde klebte. Im Spiegel bekam er mit, wie die Tür aufgedrückt wurde. Vorsichtig, als hätte die Person Furcht davor, das Bad zu betreten. Oder war es der Schlitzer?
Suko war schon kampfbereit, als er sich wieder entspannte. Nicht der Schlitzer betrat das Bad, sondern Shelly Wagner, die ihm gefolgt war und zitternd neben dem Waschbecken stehenblieb, ohne daß ein Wort über ihre Lippen drang.
Suko nickte ihr zu. »Er ist weg. Ich habe ihn vertrieben, und er wird so schnell nicht mehr zurückkehren, nehme ich mal an.«
»Ja«, flüsterte sie tonlos, »ja.« Dann fiel ihr Blick auf Sukos verpflasterte Hüfte. »Himmel, Sie sind ja verletzt!«
Er winkte ab. »Keine Sorge, nur ein Kratzer, so ganz konnte ich der Klinge nicht entwischen.«
»Tut es weh?«
»Es läßt sich aushalten.« Er lächelte sie an. »Jedenfalls ist Ihnen nichts passiert, Shelly.«
»Ja, schon, aber…« Sie hob die Schultern. »Wie geht es denn jetzt weiter?«
»Das werden wir sehen«, sagte Suko. »Mal etwas anderes, Shelly. Haben Sie auch den Schrei gehört?«
Sie runzelte die Stirn. »Einen Schrei, Inspektor? Was meinen Sie denn damit?«
»Wie ich es sagte. Es war ein sehr entfernt aufklingender Schrei, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er nicht doch von dem Schlitzer abgegeben worden ist.«
»Der war doch bei Ihnen.«
»Das ist richtig, und trotzdem habe ich mir den Schrei nicht eingebildet. Es sei denn, Sie haben ihn ausgestoßen.«
»Nein, ich nicht. Wann war das denn genau?«
»Als ich ihn mit meiner Peitsche erwischte.«
Sie schüttelte den Kopf und betonte noch einmal, nichts gehört zu haben. »Ist auch egal«, sagte Suko. »Sie jedenfalls sind aus dem Schneider. Aber der Schlitzer existiert leider noch.«
»Und was wollen Sie tun, Inspektor?«
Suko lächelte. »Das weiß ich noch nicht genau. Jedenfalls werde ich nicht untätig bleiben…«
Mir eröffneten sich neue, extreme und nie gekannte Welten, die mich erschreckten, auch wenn man sie mir zuerst nur in der Theorie darlegte, und das tat Dr. Freeman.
Ich wußte nicht, wie ich ihn einschätzen sollte. Als Genie oder als einen Wahnsinnigen. Wahrscheinlich war er beides und hatte diese beiden Hälften bis zur Perfektion herausgearbeitet.
Er hatte mich gezwungen, auf den Tank zu schauen, denn von ihm war er begeistert. »Was das Raumschiff für den Astronauten, ist der Tank für das Bewußtsein des Menschen. Ungemein wichtig.«
»Kann sein.«
Er knurrte.
»Es kann nicht nur so sein, es ist so. Denn ich habe es herausgefunden. Ich habe es erlebt. Er spaltete das Bewußtsein in Plus und auch in Minus.«
Erst sah er die Skepsis, dann mein spöttisches Lächeln. Freeman strich wütend über seine glatten Haare. »Ich sehe, daß Sie mir nicht glauben, Sinclair. Viele haben mir nicht geglaubt, aber ich weiß auch, daß in geheimen Labors meine Forschungen nachgespielt werden. Es gibt nicht nur diesen einen Simulator. Nur gehöre ich mit zu seinen Erfindern, ich habe ihn auch weiterentwickeln können.«
»Wie funktioniert er denn?« Die nächste Frage hatte ich sehr sachlich gestellt.
»Wollen Sie es tatsächlich wissen?«
»Ja.«
Er grinste. »Ganz einfach. Man füllt ihn mit Wasser. Ungefähr einen Yard hoch, mehr nicht. Das heißt, es ist kein normales Wasser. Er wird angereichert durch eine zehnprozentige Magnesiumsulfatlösung, damit das spezifische Gewicht des
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