Der Schlüssel zu Rebecca
Hausboot gestoßen. Wolff kam auf sie zu. Sie sträubte sich wieder, und der Mann, der sie festhielt, legte ihr einen Arm um die Kehle. Elene öffnete den Mund, sie wollte um Hilfe rufen, aber bevor sie einen Laut von sich geben konnte, hatte der Mann ihr die Finger in den Rachen geschoben, so daß sie würgen mußte.
»Wer sind Sie?« fragte Wolff.
»Ich bin Kemel. Sie müssen Wolff sein.«
»Gott sei Dank, daß Sie hier waren.«
»Es sieht schlecht für Sie aus, Wolff«, sagte Kemel. »Kommen Sie besser mit an Bord – verflucht, sie hat das Brett ins Wasser geworfen.« Wolff suchte den Fluß ab und entdeckte das Brett neben dem Hausboot. »Nasser kann ich nicht mehr werden.« Er rutschte vom Ufer ins Wasser, packte das Brett, schob es nach oben und kletterte ihm nach. Dann legte er es an seinen Platz zurück. »Hier entlang.«
Kemel drückte Elene vor sich her.
»Dorthin mit ihr.« Wolff zeigte auf die Couch.
Wolff verschwand hinter den Vorhängen und kehrteeinen Moment später mit einem großen Handtuch zurück. Er fing an, sich damit trockenzureiben. Seine Nacktheit schien ihm nicht das geringste auszumachen.
Zu Elenes Überraschung war Kemel ziemlich klein. Sein harter Griff hatte sie getäuscht: Er hatte längst nicht Wolffs Statur. Kemel war ein gutaussehender, dunkelhäutiger Araber. Unbehaglich schaute er an Wolff vorbei.
Wolff legte sich das Handtuch um die Hüften und setzte sich. Er musterte seine Hand. »Beinahe hätte sie mir die Finger gebrochen.« Er sah Elene zornig und zugleich belustigt an.
»Wo ist Sonja?«
»Im Bett.« Wolff deutete ruckartig mit dem Kopf auf die Vorhänge. »Sie könnte ein Erdbeben verschlafen, besonders wenn sie ihre Wollust gestillt hat.«
Elene merkte, daß Kemel bei diesen Worten verlegen wurde. »Es sieht schlecht für Sie aus«, wiederholte er.
»Ich weiß. Sie arbeitet wohl für Vandam?«
»Keine Ahnung. Mein Mann am Treidelpfad hat mich mitten in der Nacht angerufen. Vandam war aufgetaucht und hat ihn weggeschickt, um Hilfe holen zu lassen.«
Wolff war bestürzt. »Wir haben Glück gehabt. Wo ist Vandam jetzt?«
»Immer noch dort draußen. Ich habe ihn mit meiner Pistole bewußtlos geschlagen und dann gefesselt.«
Elene verließ der Mut. Vandam war verletzt, kampfunfähig; jetzt wußte niemand, wo sie war.
Wolff nickte. »Vandam ist ihr hierher gefolgt. Nun kennen die beiden mein Versteck. Wenn ich hierbleibe, werde ich sie töten müssen.«
Elene schauderte. Er sprach so leichtfertig davon, Menschen umzubringen. Herren und Sklaven.
»Die Idee taugt nichts«, sagte Kemel. »Wenn Sie Vandam töten, wird man mich für den Mord verantwortlich machen. Sie können sich absetzen, aber ich muß in dieser Stadt leben.«
Er beobachtete Wolff mit zusammengekniffenen Augen. »Und wenn Sie mich töten, bleibt immer noch der Mann, der mich angerufen hat.«
»Also ...« Wolff zog die Brauen hoch und knurrte ärgerlich: »Also habe ich keine Wahl. Ich muß hier weg. Verdammt.«
Kemel nickte. »Wenn Sie verschwinden, kann ich Sie decken. Aber ich will etwas von Ihnen. Sie wissen, weshalb wir Ihnen geholfen haben?«
»Sie möchten Kontakt mit Rommel aufnehmen.«
»Ja.«
»Ich werde morgen nacht eine Botschaft senden, das heißt, heute nacht. Sagen Sie mir, was Sie ihm mitteilen wollen, und ich werde ...«
»Das reicht uns nicht«, unterbrach Kemel. »Wir selbst wollen die Nachricht senden. Dazu brauchen wir Ihr Funkgerät.«
Wolff runzelte die Stirn. Elene begriff, daß Kemel ein nationalistischer Rebell war, der mit den Deutschen zusammenarbeitete oder versuchte, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Kemel fuhr fort: »Wir könnten Ihre Botschaft für Sie senden ...«
»Nicht nötig.« Wolff schien einen Entschluß gefällt zu haben. »Ich habe noch ein Funkgerät.«
»Es ist also abgemacht.«
»Da ist das Gerät.« Wolff zeigte auf den geöffneten Koffer, der immer noch auf dem Boden lag. »Es ist schon auf die richtige Wellenlänge eingestellt. Sie brauchen nur noch um Mitternacht zu senden, egal, an welchem Tag.«
Kemel trat an das Gerät und untersuchte es. Elene überlegte, weshalb Wolff den »Rebecca«-Code nicht erwähnt hatte. Anscheinend war es Wolff gleichgültig, ob Kemel Verbindung mit Rommel bekam oder nicht; und wenn er den Code besaß, bestand die Gefahr, daß auch andere davon erfuhren. Wolff versuchte wieder, ein Risiko auszuschalten.
»Wo wohnt Vandam?« fragte Wolff.
Kemel nannte ihm die Adresse.
Elene dachte: Worauf hat er es jetzt
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