Der Schlüssel zu Rebecca
Abfalleimer. Elene warf einen Blick in den Kühlschrank: nur eine Flasche Champagner. Es gab mehrere Schubladen. War ein Funkgerät klein genug, um in eine Schublade zu passen? Sie öffnete eine. Das Klirren von Bestecken ließ sie zusammenzucken. Kein Funkgerät. Die nächste: eine große Auswahl an Gewürzen, von Vanilleessenz bis Currypulver – irgend jemand kochte gern. Noch eine Schublade: Küchenmesser.
An die Küche schloß sich ein kleines Pult mit herunterklappbarer Schreibfläche an. Darunter stand ein kleiner Koffer. Elene zog ihn hervor. Er war schwer. Sie öffnete ihn. Das Funkgerät!
Es war ein ganz gewöhnlicher Koffer mit zwei Schlössern, einem Ledergriff und verstärkten Kanten. Das Gerät paßte genau hinein, als sei der Koffer dafür vorgesehen. Der gewölbte Deckel ließ über dem Funkgerät etwas Platz. Dort war ein Buch verstaut. Sein Pappeinband war abgerissen worden, damit es unter den Deckel gezwängt werden konnte. Elene nahm das Buch und schlug es auf. Sie las: »Heute nacht träumte mir, ich sei wieder in Manderley.« Es war »Rebecca«. Sie blätterte das Buch rasch durch. In der Mitte lag etwas zwischen den Seiten. Elene drehte das Buch um, und ein Blatt Papier fiel heraus. Sie beugte sich vor und hob es auf. Es war eine Liste von Ziffern und Daten mit einigen deutschen Wörtern. Dies mußte der Codeschlüssel sein.
Das war es also, was Vandam brauchte, um den Verlauf des Krieges zu ändern.
Ohne diesen Schlüssel, dachte sie, kann Wolff keine Nachrichten an Rommel senden. Er könnte seine Botschaften zwar unverschlüsselt übermitteln, aber die Deutschen würden dann an ihrer Authentizität zweifeln und fürchten, daß die Alliierten sie belauscht hätten ... Nein,ohne dieses Blatt ist Wolff hilflos. Mit ihm kann Vandam den Krieg gewinnen.
Sie mußte sofort weglaufen und den Schlüssel mitnehmen. Ihr fiel ein, daß sie völlig nackt war.
Elene erwachte aus ihrer Trance. Ihr Kleid lag zusammengeknüllt auf der Couch. Sie durchquerte das Boot, nahm das Kleid und zog es sich über den Kopf.
Das Bett knarrte.
Hinter den Vorhängen stand jemand auf, eine schwere Person. Es konnte nur Wolff sein. Elene war wie gelähmt. Sie hörte, wie Wolff auf die Vorhänge zuging, sich wieder entfernte und die Badezimmertür öffnete.
Elene hatte keine Zeit, ihr Höschen anzuziehen. Sie packte ihre Handtasche, ihre Schuhe und das Buch mit dem Schlüssel. Wolff kam aus dem Badezimmer. Sie lief zur Leiter und begann hinaufzuklettern. Immer wenn die Kanten der schmalen Holzstufen in ihre nackten Füße schnitten, fuhr sie zusammen. Wolff erschien zwischen den Vorhängen und blickte erstaunt zu ihr hoch. Seine Augen glitten zu dem Koffer, der geöffnet auf dem Boden lag. Elene konzentrierte sich auf die Luke, die von innen mit zwei Riegeln gesichert war. Sie schob beide zurück. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Wolff zur Leiter stürmte. Sie stieß die Luke auf und zwängte sich hindurch. Als sie auf dem Deck stand, war Wolff bereits auf der Leiter. Sie beugte sich rasch vor und hob den schweren Holzdeckel. Wolffs rechte Hand umklammerte den Rand der Öffnung, und Elene schleuderte die Luke mit aller Kraft auf seine Finger. Ein Schmerzensschrei. Sie rannte über das Deck und überquerte den Steg.
Er bestand nur aus einem Brett. Sie bückte sich, hob es auf und schleuderte es in den Fluß.
Wolff kletterte durch die Luke. Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Schmerz und Wut.
Elene geriet in Panik, während er über das Deck stürmte. Sie dachte: Er ist nackt, er kann mich nicht verfolgen!Wolff sprang mit einem gewaltigen Satz über die Reling. Er kann es nicht schaffen!
Wolff landete an der Uferkante und wirbelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Elene faßte plötzlich Mut, lief auf ihn zu und stieß ihn zurück ins Wasser. Sie drehte sich um und rannte den Treidelpfad hinunter.
Als sie die Einmündung zur Straße erreicht hatte, blieb sie stehen und schaute zurück. Ihr Herz hämmerte, und sie atmete keuchend. Ihre Zuversicht stieg, als sie sah, wie Wolff, tropfnaß und nackt, an das schlammige Flußufer kletterte. Es wurde hell. In diesem Zustand konnte er sie nicht lange verfolgen. Sie rannte zur Straße, erhöhte ihr Tempo und stieß plötzlich mit jemandem zusammen.
Starke Arme umklammerten sie. Elene wehrte sich verzweifelt, konnte sich befreien und wurde wieder gepackt. Sie resignierte: Nach all dem, dachte sie, nach all dem.
Sie wurde herumgedreht und in Richtung
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