Der Schlüssel zu Rebecca
waren geschlossen. Er schlief ein.
Was war mit Vandam geschehen?
Irgend etwas war schiefgegangen. Vielleicht hatte Vandam Wolffs Auto in Kairo aus den Augen verloren, vielleicht hatte er einen Verkehrsunfall gehabt. Wie auch immer, Vandam paßte nicht mehr auf sie auf. Sie war auf sich allein gestellt. Es war ihr gelungen, Wolff seinen mitternächtlichen Funkspruch an Rommel vergessen zu lassen, aber was sollte ihn nun daran hindern, die Botschaft in einer der nächsten Nächte zu senden? Elene mußte unbedingt das Große Hauptquartier erreichen und Jakes sagen, wo er Wolff finden konnte. Sie mußte es sofort tun ...
Aber es würde zu lange dauern. Wolff könnte aufwachen, merken, daß sie verschwunden war, und wieder untertauchen.
War sein Funkgerät hier auf dem Hausboot oder woanders? Ihr fiel etwas ein, was Vandam am Abend gesagt hatte: »Wenn ich den Codeschlüssel bekomme, kann ich mich am Funkgerät für Wolff ausgeben ... Ich könnte den Spieß umdrehen ...«
Vielleicht kann ich den Schlüssel finden, dachte Elene.
Sie wußte von Vandam, daß es ein Zettel war, dessen Text erklärte, wie Botschaften mit Hilfe des Buches »Rebecca« zu verschlüsseln seien.
Jetzt hatte Elene die Chance, das Funkgerät und den Schlüssel ausfindig zu machen.
Sie mußte das Hausboot durchsuchen.
Elene bewegte sich nicht. Sie hatte wieder Angst bekommen. Wenn Wolff sie überraschte ... Sie erinnerte sich an seine Theorie über die menschliche Natur: Die Welt teile sich in Herren und Sklaven. Das Leben eines Sklaven sei nichts wert. Nein, dachte sie, ich verabschiede mich morgen früh, und dann erzähle ich den Briten, wo Wolff ist. Sie werden das Hausboot stürmen und ...
Aber wenn Wolff bis dahin verschwunden war? Wenn er das Funkgerät woanders versteckt hatte?
Dann wäre alles umsonst gewesen.
Wolff atmete jetzt langsam und gleichmäßig; er schlief fest. Elene griff vorsichtig nach Sonjas Hand und schob sie von ihrem Schenkel auf das Laken. Sonja rührte sich nicht.
Nun berührte keiner von beiden Elene. Es war eine große Erleichterung.
Sie setzte sich leise auf.
Die Gewichtsverschiebung auf der Matratze störte die beiden anderen. Sonja grunzte, hob den Kopf, drehte ihn zur anderen Seite und begann wieder zu schnarchen. Wolff rollte sich auf den Rücken, ohne die Augen zu öffnen.
Langsam – sie erschrak bei jeder Bewegung derMatratze drehte Elene sich auf Hände und Knie. Mit dem Gesicht zum Kopfende des Bettes, kroch sie mühsam zurück: rechtes Knie, linke Hand, linkes Knie, rechte Hand. Sie beobachtete die beiden Schlafenden. Das Hausboot schaukelte im Kielwasser eines vorüberfahrenden Kahns hin und her. Elene nutzte das Schaukeln, um rasch aus dem Bett zu kriechen. Sie blieb wie festgewurzelt stehen und musterte Sonja und Wolff, bis das Boot aufhörte, sich zu bewegen. Die beiden schliefen weiter. Wo sollte sie mit der Suche beginnen? Elene beschloß, methodisch vorzugehen und sich von vorn nach hinten durchzuarbeiten. Das Badezimmer war im Bug des Bootes. Plötzlich merkte sie, daß sie es ohnehin aufsuchen mußte. Sie schlich auf Zehenspitzen hinaus.
Auf der Toilette sitzend, blickte sie sich um. Wo könnte das Funkgerät versteckt sein? Sie hatte keine Vorstellung, wie groß es sein mochte: wie ein Koffer, eine Aktentasche, eine Handtasche? Hier gab es ein Waschbecken, eine kleine Wanne und einen Wandschrank. Sie stand auf und öffnete den Schrank. Nichts.
Das Funkgerät war nicht im Badezimmer.
Elene hatte nicht den Mut, das Schlafzimmer zu durchsuchen – noch nicht. Sie durchquerte es und trat durch die Vorhänge ins Wohnzimmer. Rasch sah sie sich um, bemüht, ruhig und umsichtig zu sein. Sie begann an der Steuerbordseite. Hier stand ein Diwan. Sanft klopfte sie an das Unterteil: Er schien hohl zu sein. Sie versuchte, ihn anzuheben, schaffte es aber nicht. Dann merkte sie, daß er am Boden festgeschraubt war. Dort konnte das Funkgerät also nicht sein. Nun untersuchte sie einen hohen Schrank. Die Tür quietschte ein wenig, und sie erstarrte. Ein Grunzen aus dem Schlafzimmer. Elene sah schon Wolff durch die Vorhänge springen, aber nichts geschah.
Sie schaute hinein: ein Besen, ein paar Staubtücher, Putzzeug und eine Taschenlampe. Kein Funkgerät. Sie schloß die Tür. Wieder quietschte sie.
Jetzt war die Küche an der Reihe. Sie mußte sechs kleine Schränke öffnen. Sie enthielten Geschirr, Konserven, Töpfe, Gläser, Kaffee, Reis- und Teevorräte, Handtücher. Unter dem Ausguß stand ein
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