Der Schlüssel zu Rebecca
Kofferraum.«
Vandam konzentrierte sich wieder auf Billy. Er war jetzt bei Bewußtsein und hatte die Augen weit geöffnet. »Wie geht’s dir, mein Junge?«
»Entschuldige, daß mir schlecht geworden ist.«
»Du mußt fahren«, sagte Vandam zu Elene. Er hatte Tränen in den Augen.
*
Plötzlich war das Donnern von Flugzeugen zu hören. Rommel sah die britischen Bomber, die dicht über der nächsten Hügellinie auftauchten. »Deckung!« brüllte derFeldmarschall. Er rannte zu einem Splittergraben und sprang hinein.
Der Lärm war furchtbar. Rommel lag mit geschlossenen Augen da. Er hatte Magenschmerzen. Man hatte ihm einen Arzt aus Deutschland geschickt, doch Rommel wußte, daß ein Sieg die einzig wirksame Medizin war.
Es war der 1. September. Alles war scheußlich mißlungen. Was wie der schwächste Punkt der alliierten Verteidigungslinie ausgesehen hatte, glich immer mehr einem Hinterhalt. Die Minenfelder, die nur leicht hätten sein sollen, waren kaum zu durchdringen; wo man harten Boden erwartet hatte, war Treibsand gewesen, und der Alam-Halfa-Kamm, der nur schwach befestigt sein sollte, wurde wirkungsvoll verteidigt. Rommels Strategie war falsch, sein Nachrichtendienst hatte sich getäuscht, sein Spion war im Irrtum gewesen.
Die Bomber flogen vorüber. Rommel kroch aus dem Graben. Seine Offiziere kamen aus der Deckung hervor und sammelten sich um ihn. Er hob den Feldstecher und blickte über die Wüste. Dutzende von Fahrzeugen standen still im Sand; viele von ihnen waren in Flammen gehüllt. Wenn der Feind angreift, dachte Rommel, können wir mit ihm fertig werden. Aber die Alliierten hatten sich fest verschanzt und zerstörten einen Panzer nach dem anderen.
Es hatte keinen Zweck. Seine Vorhut war 25 Kilometer von Alexandria entfernt, doch sie war steckengeblieben. 25 Kilometer, dachte er. Noch 25 Kilometer, und Ägypten hätte mir gehört. Er musterte die Offiziere und las in ihren Mienen.
Er sah die Vorahnung der Niederlage.
*
Er wußte, daß es ein Alptraum war, aber er konnte nicht aufwachen.
Die Zelle war einen Meter achtzig lang und einen Meterzwanzig breit. Die Hälfte wurde von einem Bett eingenommen, unter dem ein Nachttopf stand. Die Wände waren aus glattem grauen Stein. Eine kleine Glühbirne hing an einem Draht von der Decke. Am einen Ende der Zelle war eine Tür, am anderen ein kleines, quadratisches Fenster, hinter dem man den hellen, blauen Himmel sehen konnte.
In seinem Traum dachte er: Bald wache ich auf, dann ist alles in Ordnung. Ich wache auf, und neben mir liegt eine schöne Frau auf einem Seidenlaken, wir trinken Champagner und ...
Aber dann kehrte der Traum von der Gefängniszelle zurück. Irgendwo in der Nähe donnerte eine große Trommel. Soldaten marschierten zu dem Rhythmus. Das Donnern war entsetzlich. Die Trommel und die Soldaten und die engen grauen Zellenwände und das ferne, lockende Quadrat des blauen Himmels – er hatte solche Angst, daß er sich zwang, die Augen zu öffnen. Und er wachte auf.
Verständnislos blickte er um sich. Kein Zweifel: Er war wach, der Traum war vorbei. Aber er befand sich immer noch in der Gefängniszelle. Er stand auf, schaute unter das Bett und entdeckte einen Nachttopf.
Er stand kerzengerade. Dann begann er, mit fürchterlicher Ruhe, den Kopf gegen die Wand zu hämmern.
*
Jerusalem, den 24. September 1942
Meine liebe Elene,
heute war ich an der Klagemauer. Ich stand mit vielen anderen Juden davor und betete. Dann schrieb ich ein Kvitl und steckte es in einen Spalt der Mauer. Möge Gott meine Bitte erfüllen.
Dies ist der schönste Ort der Erde, Jerusalem. Natürlich lebe ich nicht im Wohlstand. Ich schlafe auf einer Matratze in einem kleinen Zimmer mit fünf anderen Männern. Manchmal fege ich eine Werkstatt, in der einer meiner Zimmergefährten, ein junger Mann, Holz für die Tischlerträgt. Ich bin sehr arm, wie immer, aber jetzt bin ich arm in Jerusalem, was besser ist, als reich in Ägypten zu sein.
Ich habe die Wüste in einem britischen Armeelastwagen durchquert. Sie fragten mich, was ich getan hätte, wenn ich nicht mitgenommen worden wäre. Als ich antwortete, ich wäre zu Fuß gegangen, hielten sie mich für verrückt. Aber dies ist das Vernünftigste, was ich je getan habe.
Du sollst wissen, daß ich sterbe. Meine Krankheit ist unheilbar, selbst wenn ich mir Ärzte leisten könnte, und ich habe nur noch Wochen, vielleicht ein, zwei Monate zu leben. Sei nicht traurig. Ich bin nie glücklicher
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