Der Schlüssel zu Rebecca
am nächsten Tag lag die Frau tot in ihrem Hotelbett. Es war eine Parallele, die ihm das Blut gefrieren ließ.
Es war sinnlos, zu Hause zu bleiben. Er konnte hier nichts mehr tun, und an Schlaf war nicht zu denken. Dr. Abuthnots Anweisungen zum Trotz würde er sich Jakes und den anderen anschließen. Er zog einen Mantel an, setzte seine Uniformmütze auf und schob sein Motorrad aus der Garage.
*
Elene und Wolff standen dicht am Rand des Felsenufers. Sie betrachteten die fernen Lichter von Kairo und die flackernden Feuer der Bauern in den dunklen Dörfern. Elene stellte sich einen dieser armen Bauern vor, wie er seine Strohmatratze auf den Erdboden legte, sich in eine grobe Decke wickelte und Trost in den Armen seiner Frau suchte. Elene hatte die Armut hinter sich gelassen, für immer, wie sie hoffte; aber manchmal schien ihr, daß sie auch etwas anderes hinter sich gelassen hatte, etwas, auf das sie nicht verzichten konnte. In ihrer Kindheit in Alexandria markierte man die roten Schlammwände mit blauen Handabdrücken, um das Böse abzuwehren. Elene war nicht abergläubisch; aber trotz der Ratten, der nächtlichen Schreie, wenn der Geldverleiher seine beiden Frauen verprügelte, der Zecken, die niemanden verschonten, und des frühen Todes vieler Babys glaubte sie, daß es irgend etwas gab, was das Böse abwehrte. Sie hatte danach gesucht, wenn sie Männer mit nach Hause nahm, mit ihnen ins Bett ging, ihre Geschenke und Liebkosungen und ihr Geld akzeptierte, aber sie hatte es nie gefunden.
Elene wollte dieses Leben aufgeben. Sie hatte zuviel Zeit damit verbracht, an den falschen Stellen nach Liebe zu suchen. Vor allem wollte sie nicht bei Alex Wolff danachsuchen. Mehrere Male hatte sie sich selbst gefragt: Warum nicht noch ein einziges Mal? Das war Vandams kühler, logischer Standpunkt. Aber immer, wenn sie daran dachte, mit Wolff zu schlafen, fiel ihr wieder der Tagtraum ein, der sie in den letzten Wochen gequält hatte – der Tagtraum von der Verführung William Vandams. Sie wußte ganz genau, wie Vandam sein würde: Er würde sie mit unschuldigem Erstaunen ansehen und mit naiver Freude berühren. Wenn sie es sich ausmalte, war sie fast hilflos vor Sehnsucht. Sie wußte auch, wie Wolff sein würde. Er würde erfahren, egoistisch, geschickt und unerschütterlich sein.
Ohne ein Wort wandte sie sich von dem Panorama ab und ging zurück zum Auto. Es wurde Zeit, daß er seinen Annäherungsversuch machte. Sie hatten die Mahlzeit beendet, den Champagner und die Thermosflasche mit Kaffee ausgetrunken und die Weintrauben aufgegessen. Nun würde er die ihm zukommende Belohnung erwarten. Sie beobachtete ihn vom Rücksitz des Wagens aus. Er blieb noch einen Moment am Rand der Klippe stehen, kam dann auf sie zu und rief den Fahrer. Er besaß die selbstbewußte Anmut, über die hochgewachsene Männer oft verfügen. Wolff war attraktiv, viel attraktiver als alle Liebhaber Elenes, doch sie hatte Angst vor ihm. Irgendwie ahnte sie, daß sein Charme nicht spontan war. Sie wußte, daß er sie manipulieren wollte.
Wolff stieg in den Wagen. »Hat Ihnen das Picknick gefallen?« Elene bemühte sich, munter zu wirken. » Ja, es war großartig. Vielen Dank.«
Der Wagen startete. Entweder würde er sie jetzt zu sich einladen oder sie zu ihrer Wohnung bringen und um einen Drink bitten. Sie würde einen Weg finden müssen, seine Bitte abzuschlagen, ohne ihn zu verärgern. Es war lächerlich: Sie benahm sich wie eine erschrockene Jungfrau.
Sie war zu lange stumm gewesen. Schließlich sollte siewitzig sein und ihn für sich einnehmen. »Haben Sie die Kriegsnachrichten gehört?« fragte sie und merkte sofort, daß es nicht das unbeschwerteste Thema war.
»Die Deutschen siegen immer noch«, sagte er. »Natürlich.«
»Wieso ›natürlich‹?«
Er lächelte herablassend. »Die Welt teilt sich in Herren und Sklaven, Elene.« Er sprach, als erkläre er einem Schuljungen einfachste Tatsachen. »Die Briten sind zu lange Herren gewesen. Sie sind weich geworden, und nun ist jemand anders an der Reihe.«
»Und die Ägypter – sind sie Herren oder Sklaven?« Elene wußte, daß sie sich auf dünnem Eis bewegte, aber seine Selbstgefälligkeit machte sie wütend.
»Die Beduinen sind Herren, aber der durchschnittliche Ägypter ist ein geborener Sklave.«
Er meint es so, wie er es sagt, dachte Elene. Ein Schauder überlief sie.
Sie erreichten die Außenbezirke der Stadt. Es war nach Mitternacht, und die Vororte waren ruhig.
»Wo wohnen
Weitere Kostenlose Bücher