Der Schlüssel zu Rebecca
ihr das Glas zu geben, streckte sie die Hand aus, berührte sein Kinn mit den Fingerspitzen und drehte seinen Kopf, so daß sie seine Wange sehen konnte. Er ließ es eine Sekunde lang zu, dann wandte er den Kopf ab.
Sie hatte ihn noch nie so verkrampft gesehen. Vandam durchquerte das Zimmer und nahm ihr gegenüber steif auf dem Stuhlrand Platz. Er wirkte zerknirscht, aber als sie in seine Augen blickte, sah sie nicht Wut, sondern Schmerz.
»Welchen Eindruck haben Sie von Wolff?« fragte er.
Elene begriff nicht, worauf er hinauswollte. »Er ist charmant, intelligent, gefährlich.«
»Sein Äußeres?«
»Saubere Hände, ein Seidenhemd, ein Schnurrbart, der ihm nicht steht. Warum fragen Sie?«
Er schüttelte gereizt den Kopf und zündete sich noch eine Zigarette an.
Elene konnte nicht zu ihm durchdringen, wenn er in dieser Stimmung war. Sie wollte, daß er sich neben sie setzte, ihr bestätigte, daß sie schön und mutig sei und gute Arbeit geleistet habe. Obwohl sie wußte, daß es keinen Zweck hatte, ihn zu fragen, versuchte sie es: »Wie bin ich gewesen?«
»Keine Ahnung. Was haben Sie getan?«
»Sie wissen, was ich getan habe.«
»Ja, ich bin sehr dankbar.«
Er lächelte und sie merkte, daß sein Lächelnunaufrichtig war. Was hatte er nur? Sein Ton verbarg irgend etwas, was sie noch nicht richtig einschätzen konnte. Es hatte nicht nur mit dem Gefühl seines Versagens zu tun, sondern mit seinem Verhalten ihr gegenüber, mit der Art und Weise, wie er sprach, wie er sich weit von ihr gesetzt hatte, und besonders damit, wie er sie ansah. Seine Miene drückte ... beinahe Abscheu aus.
»Will er Sie wiedersehen?«
»Ja.«
»Hoffentlich wird etwas daraus.« Er stützte das Kinn auf die Hände. Sein Gesicht war verzerrt vor Spannung. Rauchkringel stiegen von seiner Zigarette auf. »Wirklich, ich hoffe, daß etwas daraus wird.«
»Er sagte: ›Wir müssen das mal wieder machen‹ oder so ähnlich.«
»Ach so. ›Wir müssen das mal wieder machen‹.«
»So ähnlich.«
»Was genau kann er denn gemeint haben?«
Sie zuckte die Achseln. »Ein neues Picknick, eine neue Verabredung, zum Teufel, William, was ist in Sie gefahren?«
»Ich bin nur neugierig.« Er grinste krampfhaft, wie sie es noch nie an ihm gesehen hatte. »Ich würde gern wissen, was Sie – neben dem Essen und Trinken – auf dem Rücksitz des großen Taxis und am Flußufer getan haben. Wenn zwei Menschen so lange im Dunkeln zusammen sind, ein Mann und eine Frau ...«
»Halten Sie den Mund.« Sie schloß die Augen. Nun wußte sie Bescheid. Ohne die Augen zu öffnen, sagte sie: »Ich lege mich schlafen. Sie können allein hinausgehen.«
Ein paar Sekunden später wurde die Wohnungstür zugeschlagen.
Elene trat ans Fenster und schaute auf die Straße. Sie sah, wie er das Gebäude verließ und auf sein Motorrad stieg. Er startete den Motor, donnerte mithalsbrecherischer Geschwindigkeit los und bog um die Ecke, als nähme er an einem Rennen teil. Elene war sehr müde und ein wenig traurig, weil sie nun die Nacht doch allein verbringen mußte, aber sie war nicht unglücklich, denn sie verstand seinen Zorn, und das gab ihr Hoffnung. Während er aus dem Blickfeld verschwand, lächelte sie schwach und sagte leise: »William Vandam, ich glaube, du bist wirklich eifersüchtig.«
16
A LS MAJOR SMITH dem Hausboot seinen dritten Mittagsbesuch abstattete, waren Wolff und Sonja schon gut eingespielt. Wolff
versteckte sich in dem Schrank, wenn der Major kam. Sonja empfing ihn im Wohnzimmer und hielt schon einen Drink bereit. Sie lud ihn ein, sich hinzusetzen,
und sorgte dafür, daß er seine Aktentasche niederlegte, und nach ein oder zwei Minuten begann sie, ihn zu küssen. Nun konnte sie ihn schon um den Finger
wickeln, denn er war willenlos vor Begierde. Sie half ihm, seine Shorts auszuziehen, und führte ihn kurz darauf ins Schlafzimmer.
Wolff war klar, daß der Major noch nie etwas Ähnliches erlebt hatte. Er war Sonjas Sklave, solange sie ihm gestattete, mit ihr zu schlafen. Wolff war dankbar, denn ein willensstärkerer Mann hätte ihnen größere Schwierigkeiten bereitet.
Sobald Wolff das Bett quietschen hörte, kam er aus seinem Versteck hervor. Er nahm den Schlüssel aus den Shorts und öffnete die Aktentasche. Sein Notizbuch und sein Bleistift lagen neben ihm.
Smith’ zweiter Besuch war enttäuschend gewesen und hatte Wolff rätseln lassen, ob der Major vielleicht nurgelegentlich Schlachtpläne zu sehen bekam. Doch diesmal hatte er wieder
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