Der Schlüssel zu Rebecca
Sie kaum.«
»Seien Sie nicht albern. Der Fahrer wird immer bei uns sein, und ich bin ein Gentleman.«
»Ich sollte aussteigen.«
»Bitte, tun Sie das nicht.« Er berührte leicht ihren Arm. »Ich habe etwas geräucherten Lachs, ein kaltes Huhn und eine Flasche Champagner. Restaurants langweilen mich.«
Elene grübelte. Noch konnte sie gehen, dann würde sie sicher sein und ihn nie wiedersehen. Das wünschte sie sich: nie wieder mit dem Mann zu tun zu haben. Sie dachte: Aber ich bin Vandams einzige Hoffnung. Was geht er mich an? Ich wäre froh, ihm nie wieder zu begegnen und zu meinem alten friedlichen Leben zurückzukehren ...
Das alte Leben.
Sie merkte, daß Vandam ihr nicht gleichgültig war. Jedenfalls wollte sie ihn nicht enttäuschen. Sie mußte bei Wolff bleiben, eine neue Verabredung treffen, herausfinden, wo er wohnte. Impulsiv sagte sie: »Lassen Sie uns in Ihre Wohnung fahren.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Das ist ein plötzlicher Sinneswandel.«
Sie hatte einen Fehler gemacht. »Ich bin verwirrt. Sie haben mich überrascht. Warum haben Sie nicht gleich von einem Picknick gesprochen?«
»Es fiel mir erst vor einer Stunde ein. Ich hatte keine Ahnung, daß die Idee Sie erschrecken könnte.«
Elene wurde bewußt, daß sie – ohne es eigentlich zu wollen – die Rolle des dümmlichen Mädchens spielte. Sie beschloß, es nicht zu übertreiben. »Gut.«
Wolff musterte sie. »Sie sind doch nicht so verletzlich, wie Sie tun, oder?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber ich habe nicht vergessen, was Sie zu Aristopoulos sagten, als ich Sie zum erstenmal in seinem Geschäft sah.«
Elene erinnerte sich: Sie hatte gedroht, Mikis’ Schwanz abzuschneiden, wenn er sie noch einmal anfaßte. Eigentlich hätte sie erröten müssen, doch dazu reichte ihre Schauspielkunst nicht aus. »Ich war so wütend.«
Wolff lachte glucksend. »So hörte es sich auch an. Versuchen Sie, daran zu denken, daß ich nicht Aristopoulos bin.«
Sie lächelte schwach. »Gern.«
Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Fahrer zu. Sie hatten die Stadt hinter sich gelassen, und Wolff begann, Anweisungen zu geben. Elene fragte sich, wo er wohl dieses Taxi gefunden hatte. Nach ägyptischen Maßstäben war es luxuriös: ein amerikanischer Wagen mit großen weichen Sitzen und viel Platz, dazu erst ein paar Jahre alt.
Sie kamen durch mehrere Dörfer und bogen dann in eine nicht ausgebaute Straße ein. Das Auto folgte dem verschlungenen Pfad einen kleinen Hügel hinauf und erreichte eine Ebene auf dem Felsenufer. Der Fluß war genau unter ihnen, und auf der anderen Seite konnte Elene das säuberliche Muster der bestellten Äcker sehen, die sich in die Ferne erstreckten, bis sie auf die scharfe gelbbraune Linie des Wüstenrandes trafen.
»Ist es nicht ein wunderbarer Ort?« fragte Wolff.
Elene mußte ihm zustimmen. Schwalben stiegen am anderen Ufer in die Luft, und sie bemerkte, daß die Abendwolken schon rosig umsäumt waren. Ein junges Mädchen balancierte einen riesigen Wasserkrug auf dem Kopf. Eine einsame Feluke segelte stromaufwärts, getrieben von einer leichten Brise.
Der Fahrer stieg aus dem Wagen und ging fünfzig Meter weiter. Er setzte sich, wandte ihnen demonstrativ den Rücken zu, steckte sich eine Zigarette an und entfaltete eine Zeitung. Wolff holte den Picknickkorb aus dem Kofferraum. Während er die Lebensmittel auspackte, sagte Elene: »Wie haben Sie diese Stelle entdeckt?«
»Meine Mutter brachte mich hierher, als ich noch ein Kind war.« Er reichte ihr ein Glas Wein. »Nach dem Tod meines Vaters heiratete meine Mutter einen Ägypter. VonZeit zu Zeit konnte Sie den islamischen Haushalt nicht mehr ertragen, dann brachte sie mich in einem Gharry her und erzählte mir von ... Europa.«
»Hat es Ihnen gefallen?«
Er zögerte. »Ich weiß nicht – es lag wohl an meiner Mutter, sie sagte dauernd: ›Du bist so egoistisch, genau wie dein Vater.‹ Damals zog ich meine arabische Familie vor. Meine Stiefbrüder waren übermütig, und niemand versuchte, sie zu zügeln. Wir stahlen Orangen aus den Gärten anderer Leute, bewarfen Pferde mit Steinen, um sie durchgehen zu lassen, durchstachen Fahrradreifen ... Meine Mutter warnte mich immer vor der Strafe. Sie wiederholte oft: ›Eines Tages wird man dich fangen, Alex.‹«
Die Mutter hatte recht, dachte Elene: Eines Tages würde man Alex fangen.
Ihre Nervosität hatte nachgelassen. Sie überlegte, ob Wolff wohl das Messer bei sich trug, das er in Assiut benutzt hatte, und wurde wieder
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