Der Schlüssel zu Rebecca
Auf Wiedersehen.« Er ging hinaus.
Grübelnd blieb Vandam sitzen. Er las Kemels Bericht noch einmal, als könnte es zwischen den Zeilen Anhaltspunkte geben. Wenn Sonja etwas mit Wolff zu tun hatte – und Vandam glaubte es immer noch –, war die Verbindung offenbar nicht eng. Wenn sie jemanden traf, mußten die Begegnungen anderswo, nicht auf dem Hausboot, stattfinden.
Vandam trat zur Tür und rief: » Jakes!«
»Sir!«
Jakes kam herein. Vandam hatte sich wieder hingesetzt.»Ich möchte, daß Sie von jetzt an Ihre Abende im Cha-Cha-Club verbringen. Beobachten Sie Sonja und achten Sie darauf, an wessen Tisch sie nach ihrem Auftritt Platz nimmt. Bestechen Sie außerdem einen Kellner, um zu erfahren, ob irgend jemand ihre Garderobe aufsucht.«
»Jawohl, Sir.«
Er entließ Jakes mit einem Nicken und fügte lächelnd hinzu: »Sie haben die Erlaubnis, sich zu amüsieren.«
Das Lächeln war ein Fehler gewesen: Es schmerzte. Wenigstens brauchte er nicht mehr von Traubenzuckerlösungen zu leben. Gaafar gab ihm Kartoffelbrei und Sauce, ein »Spezialgericht«, das er mit dem Löffel essen und ohne zu kauen schlucken konnte. Es war das einzige, was er zu sich nahm, abgesehen vom Gin. Dr. Abuthnot hatte ihn gewarnt, er trinke und rauche zuviel, und er hatte versprochen, sich einzuschränken – nach dem Krieg. Insgeheim dachte er: wenn ich Wolff gefangen habe.
Wenn Sonja ihn nicht zu Wolff führte, dann konnte es nur Elene. Vandam schämte sich für sein Benehmen in Elenes Wohnung. Er hatte sich über sein Versagen geärgert, und war erbittert gewesen bei dem Gedanken an ihren Ausflug mit Wolff. Dabei wäre Höflichkeit das mindeste gewesen, was er ihr schuldete.
Wolff hatte geäußert, daß er Elene wiedersehen wolle. Vandam verspürte immer noch Zorn, wenn er sich die beiden zusammen vorstellte. Aber nun, da die Überwachung des Hausbootes sich als nutzlos erwiesen hatte, war Elene seine einzige Hoffnung. Er saß an seinem Schreibtisch, wartete darauf, daß das Telefon klingelte, und fürchtete sich vor dem, was er so sehr wünschte.
*
Elene ging am späten Nachmittag einkaufen. Ihre Wohnung erdrückte sie, nachdem sie den größten Teil des Tages auf und ab gegangen war, unfähig, sich auf etwaszu konzentrieren. Also zog sie ein gestreiftes Kleid an und ging hinaus in den Sonnenschein.
Der Obst- und Gemüsemarkt gefiel ihr besonders. Hier ging es lebhaft zu, vor allem zu dieser Tageszeit, wenn die Händler versuchten, den Rest ihrer Waren loszuschlagen. Sie blieb stehen, um Tomaten zu kaufen. Der Mann, der sie bediente, hob eine leicht angestoßene auf und warf sie mit theatralischer Geste zur Seite, bevor er eine Papiertüte mit unversehrten Tomaten füllte. Elene lachte, denn sie wußte, daß er die angestoßene Tomate zurückholen und wieder zu den anderen legen würde, sobald sie außer Sicht war. Dann würde er die Vorstellung für den nächsten Käufer wiederholen. Sie feilschte kurz um den Preis, doch der Händler merkte, daß sie nicht bei der Sache war, und sie zahlte fast so viel, wie er ursprünglich verlangt hatte.
Elene kaufte auch Eier, denn sie wollte sich ein Omelett zum Abendessen machen. Es war immer gut, mehr Lebensmittel im Hause zu haben, als man für eine Mahlzeit brauchte. Das gab ein Gefühl der Sicherheit. Sie konnte sich an Tage erinnern, an denen sie kein Abendessen bekommen hatte.
Sie verließ den Markt und sah sich die Kleider in den Schaufenstern an. Die meisten Kleidungsstücke kaufte sie sich impulsiv, denn sie hatte genaue Vorstellungen von dem, was ihr gefiel, und wenn sie plante, etwas Bestimmtes zu kaufen, konnte sie es nie finden. Eines Tages würde sie ihre eigene Schneiderin haben.
Ob William Vandam sich das für seine Frau leisten könnte? Wenn sie an Vandam dachte, war sie glücklich, bis ihr Wolff wieder einfiel.
Elene wußte, daß sie sich nur zu weigern brauchte, Wolff wiederzusehen.
Nichts zwang sie, den Lockvogel für einen Messermörder zu spielen.
Plötzlich verlor sie das Interesse an Kleidern und gingnach Hause. Sie wünschte sich, ein Omelett für zwei Personen machen zu können, aber man mußte auch für eine Portion dankbar sein. Sie erinnerte sich an das Gefühl, wenn Sie als Kind ohne Abendessen ins Bett ging und morgens aufwachte, ohne ein Frühstück erwarten zu können. Die zehnjährige Elene hatte sich manchmal gefragt, wie lange Menschen brauchten, um zu verhungern. Sie war sicher, daß Vandam in seiner Kindheit solche Sorgen nicht gekannt
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