Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
plötzlich den Schnaps im Blut. Hinter seiner Stirn begannen seltsame Wünsche und Gedanken zu kreisen. Seine Schläfen waren heiß. Das Blut rann schnell und hitzig durch die Adern. Er sah Lissy Black an, und stellte fest, daß sie viel hübscher war als alle ihre Schwestern hier. Sie hatte ihre Bluse noch weiter geöffnet und sich tief zu ihm hergebeugt. Ihre üppige Fülle war einfach nicht mehr zu übersehen.
„Kommen Sie mit?“, frage sie lockend.
Sergeant Waldram nickte schwerfällig. Er zahlte seine Zeche und schloß sich ihr an. Sie gaben ein hübsches Paar ab. Dicht nebeneinander verließen sie das Lokal.
„Ich wohne noch immer im gleichen Haus“, kicherte Lissy Black verlegen, als sie auf der Straße standen. „Hier ist es. Mein Zimmer liegt im zweiten Stock. Es wird uns niemand sehen, wenn wir die Treppe hinaufgehen.“
Sergeant Waldram spürte sein Herz hart gegen die Rippen schlagen. Ihm war noch immer heiß. Lissy Black hatte sich eng an ihn geschmiegt und ihre Hand in seinen Arm gelegt. Sie war ihm so nahe, daß ihr rascher Atem warm über ihn hinströmte. Ein paar Sekunden später erreichten sie die Haustür. Im Flur war alles dunkel. Auch die Fenster gähnten schwarz in die Nacht.
Lissy Black klimperte einladend mit ihren Schlüsseln. „Zier dich nicht lange“, flüsterte sie. „Du bist in Zivil. Es geht niemand etwas an, wo du die Nacht verbringst. Komm!“
Sergeant Waldram wollte schon hinter ihr in den Flur eintreten, da gewann er plötzlich seine kühle Beherrschung wieder. Der Rausch war verflogen. Sein nüchterner Verstand gewann die Oberhand. „Ich gehe nach Hause“, sagte er trocken. „Warum sollte ich mir in Ihrem Nest die Nacht um die Ohren schlagen. Ich würde es ja morgen doch nur bereuen.“
Die Tür vor ihm schloß sich mit hartem Ruck. Er hörte noch das gereizte Lachen Lissy Blacks und ihr verächtliches Gemurmel, während sie die Treppe nach oben stieg. Kurz nachher wurden die Fenster ihres Zimmers hell. Sergeant Waldram konnte einen Schatten sehen, der sich hinter den Vorhängen bewegte. Eine pralle Figur, die sich scharf vom Licht abzeichnete. Eine üppige Gestalt, die nur dafür geschaffen schien, alle Männer zur Sünde zu verführen.
„Da hatte ich noch einmal Glück“, murmelte Sergeant Waldram und pfiff leise durch die Zähne. „Um ein Haar wäre ich ihr auf den Leim gegangen.“
Er kehrte der Tür den Rücken zu und zündete sich eine Zigarette an. Als er das Streichholz in hohem Bogen in den Rinnstein warf, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Die Stimme kam von den jenseitigen Häuserschatten herüber. Sie klang dünn und gepreßt. Sie war absichtlich verstellt.
„Hallo, Mr. Waldram“, erklang es noch einmal. „Warten Sie doch einen Moment!“
Jetzt auf einmal spürte Sergeant Waldram die Gefahr in jedem Nerv. Er duckte sich und zog sich an die Hauswand zurück. Mit wachsamen Blicken spähte er durch die Dunkelheit. Er konnte nichts erkennen. Die Stimme hatte der Wind verweht. Sie blieb stumm.
Im nächsten Moment zerriß die Finsternis unter einem grellen Feuerblitz. Dumpf rollte ein Schuß durch die Nacht. Gespenstisch hallte das Echo von den Mauern zurück. Sergeant Waldram taumelte stöhnend an die Wand. Seine Linke preßte sich gegen die Brust. Die zuckenden Finger spürten eine gräßlich klaffende Wunde. Sie wurden feucht und klebrig vom rinnenden Blut. Mit panischem Entsetzen wurde ihm bewußt, wie rasch seine Kräfte schwanden. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Zurück in Moncktons Kellerbar, war sein einziger Gedanke. Dort haben sie ein Telephon. Sie müssen sofort einen Arzt holen und sie müssen das Morddezernat alarmieren . . .
Er stolperte mit bleiernen Füßen über die Fahrbahn und schwankte wie ein Betrunkener auf die Straßenecke zu. Die hellerleuchtete Kellerbar war nur noch zwanzig Schritte entfernt. Eine lächerlich kurze Strecke. Aber Sergeant Waldram schaffte sie nicht mehr. Er sackte plötzlich zusammen, als hätte ihm jemand endgültig den Todesstreich versetzt. Hart fiel er auf den Gehsteig nieder. Zuckend krümmte sich sein Körper auf den kalten Steinen. Ein irrer Aufschrei brach über seine Lippen.
Als die ersten Gäste aus Moncktons Kellerbar stürzten, lag Sergeant Waldram bereits in Fieberdelirien. Das rinnende Blut vermengte sich mit kaltem Schweiß. Das weiße Gesicht verzerrte sich unter qualvollen Wahnideen. Die Fingernägel der verkrümmten Hände krallten sich in die Ritzen zwischen den
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