Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
ich, mir diese Ausgabe ersparen zu können.“
„Laß doch diese Lügen“, sagte Maud Ruby angewidert. „Vielleicht würde dir die Polizei dieses Märchen glauben. Aber mich kannst du nicht täuschen. Ich weiß, woher diese Diamanten stammen.“
Sie hatte kaum ausgesprochen, da läutete es an der Wohnungstür. Schrill und gellend hallten die Glockentöne durch die Wohnung. Das Trommeln zweier Fäuste schloß sich an.
„Na, der hats aber eilig“, brummte Ralph Condray verwundert.
„Bekommst du öfter solch frühen Besuch?“
Maud Ruby fand keine Zeit zu einer Antwort. Sie hastete mit nervösen Schritten auf den Korridor hinaus. Ihre bebenden Hände lösten die Sperrkette. Stumm ließ sie ihren Besucher eintreten. Es war Wachtmeister Swan. Er kam unmittelbar hinter ihr in das Wohnzimmer. Scharf und mißtrauisch blickte er auf Ralph Condray. Verächtlich richteten sich seine Augen dann auf Maud Ruby.
„Sie wechseln Ihre Liebhaber anscheinend wie andere Menschen das Hemd“, sagte er schroff. „Dieser Mann ist Ihr neuer Freund, he? Ich sehe, daß er die Nacht hier geschlafen hat.“
„Was geht das Sie an?“, fragte Maud Ruby trotzig. „Was wollen Sie überhaupt schon wieder? Sie waren doch erst gestern Abend da.“
Wachtmeister Swan legte eine wirkungsvolle Kunstpause ein. Schnuppernd sog er den verlockenden Teeduft in die Nase. Seine Blicke gingen rasch hin und her.
„Was wird Mack Rupper sagen, wenn er Ihrem neuen Freund hier begegnet?“, meinte er spöttisch. „Glaube nicht, daß er sich freuen wird.“
„Mack ist nicht mehr in London“, sagte Maud Ruby kühl. „Jetzt können Sie es ruhig wissen. Er ist längst außer Landes. Er fuhr gestern mit dem Nachtexpreß nach Dover. Jetzt dürfte er schon in Belgien sein.“
„Täuschen Sie sich auch nicht?“, fragte Wachtmeister Swan mit ironischer Stimme. „Wir von der Polizei sind anderer Meinung. Ihr werter Freund hat sich nämlich in der vergangenen Nacht einen neuen Mord geleistet. Hier, sehen Sie sich diese Patrone an! Sie kennen doch diese Dinger, nicht wahr?“
Maud Ruby verfärbte sich im Bruchteil einer Sekunde. Stockend und gehetzt brach der Atem über ihre Lippen. Furchtsam schielte sie zu der blitzenden Patrone hin. Sie sah auf den ersten Blick, daß die Spitze abgefeilt war. Sie erkannte auch das Kaliber und die plumpe Form des Geschosses. Es gab keinen Zweifel — solche Patronen hatte Mack Rupper verwendet.
„Diesmal war sein Opfer ein Sergeant von Scotland Yard“, sagte Wachtmeister Swan mit schneidender Schärfe. „Auf Mord an einem Polizisten steht der Galgen, Miß Ruby. Wissen Sie das?“
„ Ja, ich weiß es“, sagte Maud Ruby schaudernd. „Na also. Dann wissen Sie auch, was Sie zu tun haben, wenn Mack Rupper hier erscheinen sollte. Ich hoffe nicht, daß Sie diesen Mörder auch jetzt noch decken werden.“
„Nein, das werde ich nicht tun“, sagte Maud Ruby dumpf.
„Heißt das, daß Sie uns von seinem Auftauchen sofort Kenntnis geben werden?“
„Ja.“
„Es freut mich, daß Sie endlich zur Vernunft kommen“, erwiderte Wachtmeister Swan rasch. „Ich lasse Ihnen die Telephonnummer des Sonderdezernats hier. Ein Anruf genügt, verstanden? Zehn Minuten später sind wir hier.“
Maud Ruby nickte geistesabwesend. Ihre Blicke wanderten ängstlich von der Tür zum Fenster.
„Sind Sie absolut sicher, daß es wirklich Mack Rupper war, der diesen Sergeanten tötete?“, fragte sie zögernd. „Es wäre doch auch möglich, daß ein anderer . . .“
„Nein, ganz ausgeschlossen“, fiel ihr der Wachtmeister ins Wort. „Wir kennen die hinterhältige Arbeitsweise Mack Ruppers gut genug. Der Haß gegen die Polizei liegt ihm im Blut. Er kämpft verbissen gegen jeden, der eine Uniform trägt. Überdies ist es gerade Sergeant Waldram gewesen, der Mack Rupper zuerst auf die Schliche kam. Er riß ihm als erster die Maske vom Gesicht. Sein Tod war also längst beschlossene Sache. Er mußte sterben, weil Mack Rupper keine Verfolger in seiner Nähe brauchen kann. Wäre er wirklich geflüchtet, dann hätte Sergeant WaJdram nicht zu sterben brauchen.“
Auf diese Worte wußte Maud Ruby nichts zu erwidern. Sie starrte schweigsam vor sich hin. Sie sah nicht, daß Wachtmeister Swan seine Aktenmappe vom Tisch nahm und seine Handschuhe überstreifte. Sie bemerkte auch nicht, daß er sich mit kurzem Gruß verabschiedete und das Zimmer verließ. Es dauerte lange Zeit, bis sie wieder zur Besinnung kam. Sie trat ans Fenster und spähte
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