Der Schlüssel zur Sternenmacht
hatte.
Ich war vier Tage daheim – es war der Vorabend des Ersten Landetags, an dem das höchste Fest des Jahres stattfand –, als der Schatten, den ich über dem Haus spürte, näherkam. Wie alle Geschäfte hatten auch wir während der Festlichkeiten geschlossen. Es war üblich, daß man Verwandte und Freunde einlud und große Parties gab. Meine Mutter erzählte an diesem Abend stolz beim Essen, daß wir zu Darina gehen und mit der Familie des Rates eine Flußfahrt unternehmen würden – in der eigenen Barke des Rates, wie sie betonte.
Aber als sie fertig war, schüttelte Vater den Kopf. Er erklärte, daß er daheimbleiben würde. Meine Mutter war zwar in den letzten Jahren herrschsüchtiger geworden, aber ich hatte noch nie erlebt, daß sie etwas gegen die Beschlüsse meines Vaters gesagt hatte. Doch diesmal ging der Zorn mit ihr durch, und sie erklärte, daß er tun könne, was er wolle – wir anderen würden jedenfalls gehen. Er nickte nur, und so ging ich zu einer entsetzlich langweiligen Party. Meine Mutter strahlte und hegte schon wieder den nächsten Traum, denn Faskel war dauernd an der Seite eines jungen Mädchens zu sehen, das sich als Nichte des Rates entpuppte – obwohl ich merkte, daß das Mädchen ihr Lächeln mehreren jungen Männern schenkte und Faskel dabei nicht besonders gut abschnitt. Ich blieb bei meiner Mutter und machte ihr vielleicht dadurch ein wenig Freude, daß der Rat mir ein paar Fragen stellte, die meine Reisen betrafen.
Als die Barke den Fluß entlangglitt, wurde ich immer ungeduldiger, und ich dachte an meinen Vater. Mit wem traf er sich wohl in dem verschlossenen Laden? Denn er hatte mir gegenüber angedeutet, daß er nicht einfach daheimblieb, weil er sich langweilte, sondern daß er an diesem Tag ungestört sein wollte.
Zu meinem Vater waren schon immer Besucher gekommen, die er nicht der Familie vorgestellt hatte. Selbst die Behörden mußten wissen, daß er mit Gegenständen unbestimmter Herkunft handelte. Aber niemand unternahm etwas gegen ihn. Denn die Diebesgilde hat einen langen Arm, und sie beschützt die Leute, die ihr wertvoll sind. Mein Vater hatte sich zwar äußerlich von ihren Versammlungen zurückgezogen, aber konnte sich ein Mann je ganz von der Gilde trennen? Den Gerüchten nach nicht.
Diesmal war in der Haltung meines Vaters etwas gewesen, das mich unruhig machte. Es schien, als fürchtete er das Treffen und wünschte es doch herbei. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr erkannte ich, daß die Furcht im Vordergrund gestanden hatte. Vielleicht hatte das Reisen doch meine Sinne geschärft, und ich spürte Dinge, die der übrigen Familie verborgen blieben.
Auf alle Fälle entschuldigte ich mich vor Sonnenuntergang mit der Erklärung, ich müßte Vondar treffen. Meine Mutter glaubte mir nicht, aber ich konnte es nicht ändern. Ich mietete ein kleines Ruderboot und befahl dem Bootsführer, mich so schnell wie möglich zum Hafen zu bringen. Doch das Wasser war überfüllt von Ausflugsbooten, und wir kamen unendlich langsam voran. Meine Nervosität steigerte sich.
Auch als ich endlich an Land war, fand ich die Straßen verstopft und mußte mich mit Ellbogen und Schultern durch die Menge kämpfen.
Der Laden war geschlossen, wie wir ihn verlassen hatten, und ich ging durch den kleinen Garten hinter dem Haus.
Als ich meine Hand auf das Schloß legte, das nur auf die Daumenabdrücke der Familie ansprach, spürte ich am ganzen Körper ein Kribbeln. Die Privaträume waren dunkel und kühl. Ich blieb an der Tür zum Laden stehen und horchte, denn wenn mein Vater seinen geheimnisvollen Besucher noch bei sich hatte, wurde er sicher nicht gern gestört. Aber ich hörte nichts. Ich klopfte an der Bürotür, doch niemand antwortete.
Als ich sie aufschob, gab sie nur ein Stückchen nach, und ich mußte mit ganzer Körperkraft dagegen drücken, bis sie sich endlich öffnete. Holz rieb an Stein, und ich sah, daß der umgekippte Schreibtisch meines Vaters mir den Weg versperrte. Ich zwängte mich durch und stand in einem durchwühlten Raum.
Vater saß in seinem Stuhl, und die Seile, die ihn fesselten, waren blutdurchtränkt. Seine Augen starrten mich an, als wolle er seinen Zustand verleugnen. Aber es waren die Blicke eines Toten. Alles war herausgerissen, und auf einigen Schachteln war der Suchende wie in rasender Wut herumgetrampelt.
Auf den vielen Welten gibt es die verschiedensten Anschauungen, was mit uns nach dem Tode geschieht. Wie könnte man leugnen,
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