Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
Vom Netzwerk:
Vater geschrieben hatte und die nicht nur Lars in den Bann geschlagen hatten. Einige Male musste die Nonne Fragen von Besuchern beantworten, das Telefon klingelte immer wieder. Nach einer halben Stunde reichte sie Lars das Tagebuch.
    »Junger Mann«, sagte sie leise, drückte einen Knopf und zeigte auf die schwere Glastür, die sich öffnete.
    Lars trat hindurch, der Geruch von Desinfektionsmitteln und Kantinenessen schlug ihm entgegen.
    Die Nonne ging vor, durch Gänge mit glänzendem Kunststoffboden, vorbei an Türen mit kleinen Namensschildern. Sie durchquerten einen großen Raum, in dem alte Menschen anTischen saßen, auf ihre Kaffeetassen stierten und von anderen Pinguinen mit Kuchen gefüttert wurden. Lars schwor sich, in den Freitod zu gehen, um einem solchen Schicksal zu entgehen.
    Weiter ging es durch Flure. Wie groß war dieses Altersheim eigentlich? Endlich blieb die Nonne vor einer Tür stehen, auf dem Schild der Name, den Lars herbeigesehnt hatte: Josephina Fragenbergensen.
    »Bitte warten Sie, bis ich Sie hereinrufe, ich muss sie erst vorbereiten, sonst werden Sie keine Freude an ihr haben. Sie ist erst fünfundsechzig, aber sie leidet unter fortschreitender Demenz. Wenn Sie Glück haben, ist sie heute klar, wenn nicht, werden Sie nichts von ihr erfahren.«
    Sie öffnete leise die Tür, zwitscherte einen Gruß und schloss sie hinter sich.
    Lars war davon überzeugt, dass demente Menschen sich einfach langsam aus dem Leben stahlen, weil sie zu feige waren, sich zu töten oder sich mit ihrem verkorksten Leben auseinanderzusetzen. Sie vergaßen sich einfach.
    Was war mit Marvin? Er hatte für ihn die Schule in Brand gesteckt und sich umgebracht, weil er es ihm befohlen hatte. War das die bessere Alternative? Hatte es irgendetwas genutzt? Nur, wenn Luzifer Wort hielt und Marvin belohnte. Aber wie konnte er daran zweifeln? Luzifer hielt alles, was er versprach. Alles! Auch wenn er manchmal Umwege ging.
    Die Tür öffnete sich wieder. Die Nonne lächelte verschmitzt. »Sie können jetzt rein, Glückspilz. Sie erwartet Sie und ist ausgesprochen gut dran heute. Wenn Sie so weit sind, soll Josephina mich rufen. Ich führe Sie dann wieder nach draußen.« Sie drückte kurz seine Hand. »Nicht verzagen. Bleiben Sie stark.«
    »Danke«, sagte Lars und trat ein.
    Das Erste, was ihm auffiel, war ein Fenster, das den Blick auf einen Park eröffnete. Das Zweite war ein weißer Sessel, in dem eine hutzelige alte Frau saß, die eher wie neunzig als fünfundsechzig aussah. Sie verschwand fast in dem Möbelstück, ihr Blick schien durch Lars hindurchzugehen. Und dann fiel ihm auf, dass es hier weder Fernseher noch Radio noch Computer gab. Das passte in seine Theorie. Diese Frau wollte nichts wissen von der Welt.
    Sie hob den Kopf und musterte ihn. Als sie zu sprechen begann, glaubte er, ihre Stimme suchen zu müssen, so weit weg klang sie.
    »Mein Gott, du siehst Friedrich so ähnlich.«
    »Ja. Guten Tag. Ich bin Lars Rüttgen und gekommen, um meinen Bruder zu finden. Wo ist er? Wie heißt er?«
    »Wo er ist?« Martha zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.« Ihre Augen verdunkelten sich. »Ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Als er zwei war, habe ich ihn meinen Eltern gegeben. Ich konnte ihn nicht großziehen, und ich wollte es auch nicht, er war doch die Frucht der Sünde.«
    Lars ballte hinter dem Rücken die Faust, bis es schmerzte. Sein Bruder war während des großen Rituals gezeugt worden. Was konnte einem Menschen Besseres passieren, als im Angesicht Luzifers den Odem des Lebens eingehaucht zu bekommen? Sein Bruder war eine Frucht des Lichts. Oder auch nicht. Sein leiblicher Vater war nicht wirklich gläubig gewesen, die Rituale hatten nur seiner Eitelkeit gedient.
    Sie kicherte. »Es war so unheimlich und doch irgendwie aufregend.« Einen Augenblick stierte sie vor sich hin. »Es war in einem Bunker. Einer von denen, die nicht gesprengt worden waren, weil niemand mehr wusste, wo er war, unterirdisch im Wald, beim Hardenberger Schloss. Wir haben ihn beim Pilzsammeln entdeckt. Damals, als ich noch in Neviges gewohnthabe. Der Eingang ist unterhalb einer jungen Buche, eine Falltür.
    Ich lernte Friedrich beim Schützenfest kennen, mein Gott, was für ein fescher Kerl. Und dann, eines Abends, hat er mich mitgenommen, wir tranken, und dann hat er mich gefragt, ob ich etwas Unerhörtes tun wolle. Ich war beschwipst und verknallt, und er legte mich nackt in diesem Bunker auf einen Tisch, überall

Weitere Kostenlose Bücher