Der Schneekönig
wahrnahm. Wie vom Blitz getroffen zuckte sie zusammen.
Wie lange mochte er schon dort stehen? Hatte er sie beobachtet? Diese und noch weitere Gedanken schossen ihr durch den Kopf.
In seinen Augen blitzte es amüsiert auf, als er sah, wie sie das Tuch krampfhaft vor dem Körper zusammenhielt. Sein Blick ruhte unverwandt auf ihr, und sie fühlte eine seltsame Unruhe, als ihr Blick den seinen kreuzte.
Als er seine Musterung endlich beendet zu haben schien und langsam auf sie zukam, erschrak sie, zog das Tuch noch fester vor der Brust zusammen.
Lachend schüttelte der Schneekönig den Kopf. „Ich kenne es nur, dass sich die Damen mir zu Füßen werfen und darum betteln, geliebt zu werden. Du jedoch gibst mir das Gefühl, ein abscheuliches Ungeheuer zu sein.“
Er beugte sich vor, fuhr mit gespreizten Fingern durch ihr nasses Haar.
„Das seid Ihr ja auch!“
Er hörte auf zu lachen, griff nach ihrem Handgelenk. „Es wird eine reizvolle Erfahrung für mich sein, deinen Widerstand zu brechen.“ Er drehte ihr bei diesen Worten das Handgelenk auf den Rücken und zog sie an sich. Als sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte, durchfuhr ihren Körper eine seltsame Schwäche. Er brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr und flüsterte: „Irgendwann wirst auch du vor Lust nach mir vergehen“, und ließ sie abrupt los, gerade als ihr Körper nachgiebig zu werden begann.
Zitternd stand sie vor ihm, senkte den Blick. Sie war sich seiner Nähe so intensiv bewusst, dass alles in ihr zu vibrieren begann. Noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen, und sie stellte voller Verwirrung fest, wie allein die Erinnerung an den Druck seines Körpers Gefühle und Wünsche in ihr aufsteigen ließ, die sie nie für möglich gehalten hätte. Sie ersehnte eine weitere Berührung, Nähe zu ihm, dem Mann mit dem Herzen aus Eis.
Während er sie mit ausdruckslosem Gesicht musterte, reifte in ihr ein Plan. Wieso nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Einerseits etwas dafür tun, dass sie ihn gnädig stimmte, andererseits diese verrückt machenden Regungen in ihrem Körper stillen.
Sie entstieg der Wanne über zwei Stufen nach oben, legte den Kopf kokettierend schief und lächelte ihn verheißungsvoll an. Ohne den Blick von ihm abzuwenden schob sie das Badetuch vorn auseinander, ließ es an sich hinabgleiten, so dass es alsbald wie eine Pfütze um ihre Füße lag.
Sie sah ihn fest an, schlug die Augen auch nicht nieder, als sie das offensichtliche Erstaunen in seinem Blick erkannte. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass sie sich ihm so offensiv anbot.
Sie trat dicht an ihn heran. Ihr Zeigefinder zeichnete die Linien seines Gesichtes nach, mit dem Daumen strich sie über seine arrogant verzogene Unterlippe, ließ ihre Hände schließlich über seinen Hals, seine Schultern und seine Arme gleiten. Ihr Haupt neigend, begann sie die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen und liebliche Küsse auf seine nackte Brust zu setzen. Als er sie sanft von sich schob, sich bückte, nach dem Badetuch griff und es ihr um den Körper legte, zuckte sie irritiert zusammen. Dass er den Blick für einen Moment senkte, um sein Verlangen vor ihr zu verbergen, entging ihr.
Erheitert fragte er: „Und was sollte das werden?“
Diese Worte ließen sie schamvoll erröten. Die Augenbrauen zornig zusammengezogen funkelte sie ihn an. „Tut doch nicht so scheinheilig. War es nicht genau das, was Ihr von Beginn an wolltet?“ Innerlich aufgewühlt drapierte sie das Handtuch erneut so um ihren Körper, das dieser bedeckt war und steckte die Enden fest.
Der Schneekönig lachte, dass seine Zähne blitzten. „Wenn ich mich recht erinnere, wollte ich lediglich, dass du für mich tanzt.“
„Würdet Ihr mich jetzt bitte allein lassen?“
„Ich denke nicht daran. Ich möchte zwar nicht, dass du dich ausziehst und mir schon heute deinen Körper schenkst, aber ich möchte unterhalten werden.“
„Ich kann nicht tanzen – und will es auch nicht.“
„Ich möchte nicht, dass du tanzt. Ich will mit dir reden.“
Ihre Hände sanken herab. „Reden?“, fragte sie verblüfft.
„Unser gestriges Wortgefecht hat mich erheitert. Davon möchte ich mehr.“
„Hört, auch wenn Ihr Euch für den Nabel der Welt haltet, so lasst Euch gesagt sein, dass ich keine Aufziehpuppe bin, die auf Kommando Befehle ausführt. Mir ist nicht nach reden. Ich will schlafen. Also?“ Ihre Handbewegung sollte ihm provokativ zeigen, wo sich der Ausgang befand.
Doch er überhörte ihren Einwand.
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