Der Schneider
wird, wird gar nichts draus.
Also habe ich mich auf ein Gebiet begeben, das man positives Hören nennen könnte; dabei werden den Leuten gewisse Worte in den Mund gelegt, die sie vielleicht gesagt hätten, wenn sie ihnen zum richtigen Zeitpunkt eingefallen wären. Das macht sowieso jeder. Und dann habe ich ein paar Kleinigkeiten aus Louisas Aktentasche fotografiert, was mir durchaus widerstrebt hat, aber Andy wollte es schließlich so, der Kerl ist ja ganz vernarrt in seine Fotos. Aber das war kein Diebstahl. Es war nur ein Ansehen. Und ansehen darf doch jeder was, will ich meinen. Mit oder ohne Feuerzeug in der Tasche.
Und was danach passiert ist, war vollkommen Andys Schuld. Ich habe ihn nicht dazu ermutigt, ich habe nicht einmal daran gedacht, bis er es getan hat. Andy hat verlangt, daß ich Quellen auf tun sollte, aber Quellen sind nun einmal etwas völlig anderes als ahnungslose Informanten und erfordern gewissermaßen einen Quantensprung und eine weitreichende Veränderung, was die innere Einstellung des Lieferanten betrifft. Aber um mal über Quellen zu sprechen. Lernt man Quellen erst einmal kennen, sind das sehr nette Menschen, wesentlich netter als manche andere, die ich hier nennen könnte und die sozusagen fester in der Wirklichkeit verankert waren; Quellen sind eine heimliche Familie, sie widersprechen nicht und haben nur dann Probleme, wenn man ihnen welche aufgibt. Quellen machen Freunde zu etwas, das sie schon fast gewesen sind oder gern wären, aber genaugenommen niemals sein werden. Oder überhaupt nicht sein wollen, aber angesichts dessen, was sie sind, durchaus hätten sein können.
Zum Beispiel Sabina – die Marta lose, aber nicht vollständig, nach sich selbst gestaltet hat. Oder irgendein durchschnittlicher Bombenbastler, ein hitziger Student, der die Stunde seiner bösen Tat herbeisehnt. Oder Alpha und Beta und gewisse andere, die aus Sicherheitsgründen namenlos bleiben müssen. Oder Mickie mit seiner Stillen Opposition und seiner Verschwörung, auf die niemand den Finger legen kann, eine für meinen Geschmack schlichtweg geniale Idee, nur daß ich wohl infolge des gnadenlosen Drucks, den Andy auf mich ausübt, eher früher als später den Finger so darauf werde legen müssen, daß alle Seiten zufrieden sind. Oder die Leute auf der anderen Seite der Brücke und das wahre Herz von Panama, das außer Mickie und ein paar Studenten mit Stethoskopen niemand finden kann. Oder Marco, der erst zum Mitmachen bereit war, nachdem ich seine Frau veranlaßt hatte, mit ihm ein sehr ernstes Wort über die neue Tiefkühltruhe und den Zweitwagen zu sprechen, und auch darüber, daß sie ihren Sprößling auf die Einstein-Schule schicken sollten, wobei ich ihnen behilflich sein könnte, falls Marco sich entschließen würde, an einer gewissen anderen Front mitzukämpfen – und vielleicht sollte sie das auch diesmal bei ihm anklingen lassen?
Ja, sein Redetalent. Lose Fäden, aus der Luft gepflückt, verwoben und nach Maß zugeschnitten.
Jedenfalls baut man seine Quellen auf und spitzt für sie die Ohren, man macht sich ihre Sorgen zu eigen und übernimmt die Nachforschungen für sie, man liest für sie und läßt sich von Marta von ihnen erzählen, man plaziert sie zur richtigen Zeit an den richtigen Orten und läßt sie mit allen ihren Idealen und Problemen und kleinen Eigenheiten im besten Licht erscheinen, genauso wie ich es auch im Laden mache. Und man bezahlt sie, das ist doch nur fair. Einen Teil bar, direkt in die Tasche, der Rest wird für sie auf die hohe Kante gelegt, damit sie nicht dumm damit herumprahlen und sich verdächtig machen und die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Die einzige Schwierigkeit dabei ist nur, daß meine Quellen das Geld nicht in die Tasche stecken können, da sie ja nicht einmal wissen, daß sie es verdient haben, und manche haben ohnehin keine Taschen, so daß ich es eben in meine stecken muß. Aber genau betrachtet ist das nur fair, denn sie haben es ja tatsächlich nicht verdient, stimmt’s? Nicht sie haben’s verdient, sondern ich. Also nehme ich das Geld. Beziehungsweise Andy zahlt es für mich auf das Witwen- und Waisenkonto ein. Und die Quellen merken von all dem nichts – Benny hätte in dem Zusammenhang von einem unblutigen Schwindel gesprochen. Und ist nicht das ganze Leben eine Erfindung? Fängt schon damit an, daß man sich selbst erfindet.
Gefangene, das ist bekannt, haben ihre eigene Moral. Pendel war ein Beispiel dafür.
Und
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