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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Verfassen kreativer Berichte. Auf seinen hochgeheimen Seiten waren Bereiche, von denen die Zentrale absolut keine Ahnung hatte und die von den Analytikern Schwarze Löcher genannt werden, sorgfältig zum Gebrauch von Nachrichtensammlern aufgelistet. Und was die Analytiker nicht wußten, konnten sie nach Osnards simpler Logik auch nicht überprüfen. Und was sie nicht überprüfen konnten, daran konnten sie auch nicht herumnörgeln. Wie so mancher moderne Autor hatte Osnard festgestellt, daß er auf Kritik unerwartet empfindlich reagierte. Zwei Stunden lang schliff und polierte er ohne Pause, schrieb und formulierte er um, bis BUCHANs neueste Erkenntnisse wie perfekt gedrechselte Pflöcke in die Schwarzen Löcher der Analytiker paßten. Ein lapidarer Tonfall, eine stets wachsame Skepsis, ein hier und da eingestreuter Zweifel steigerten den Eindruck des Authentischen. Bis Osnard schließlich, von seinem Werk überzeugt, seinen Verschlüssler Shepherd anrief, ihn unverzüglich in die Botschaft bestellte und ihm nach dem Grundsatz, daß zu nachtschlafender Zeit abgesandte Nachrichten eindrucksvoller sind als alle anderen, ein per Hand kodiertes STRENG GEHEIMES & BUCHAN-Telegramm zur sofortigen Übermittlung aushändigte.
    »Ich würde Ihnen nur zu gern sagen, was da drinsteht, Shep«, sagte Osnard mit seiner Bei-Tagesanbruch-geht’s-los-Stimme, als er bemerkte, wie sehnsüchtig Shepherd die unverständlichen Zahlengruppen anstarrte.
    »Ich auch, Andy, aber wenn’s nicht geht, dann geht’s eben nicht.«
    »Richtig«, antwortete Osnard.
    Wir schicken den alten Shep, hatte die Personalabteilung gesagt. Der hält den Osnard auf Kurs.
     
    Osnard war mit dem Auto unterwegs, aber nicht zu seiner Wohnung. Er hatte ein Ziel, aber das Ziel lag weit vor ihm, noch unbestimmt. Ein dickes Bündel Dollarscheine rieb sich an seiner linken Brustwarze. Was kriege ich? Zuckende Lichter, Farbfotos von nackten schwarzen Mädchen in beleuchteten Rahmen, vielsprachige Schilder verkündeten LIVE EROTIC SEX. Nichts dagegen, aber heut abend ist mir nicht danach. Er fuhr weiter. Zuhälter, Dealer, Polizisten, ein paar Stricher, alle auf der Suche nach einem Dollar. Uniformierte GIs in Dreiergruppen. Der Costa Brava Club, Spezialität junge chinesische Huren. Nichts für ungut, ihr Lieben, ich ziehe ältere vor, die sind dankbarer. Er fuhr weiter, ließ sich von seinen Sinnen leiten, dafür waren die Sinne schließlich da. Der alte Adam regte sich. Alles ausprobieren, anders ging’s nicht. Ob man etwas haben will, weiß man erst, wenn man es gekauft hat. Seine Gedanken wanderten zu Luxmore zurück. Der größte Meinungsmacher der Welt glaubt daran … Das war doch wohl Ben Hatry. Luxmore hatte seinen Namen in London ein paarmal fallenlassen. Wortspiele damit gemacht. Unser Benefiz-Onkel, haha. Ein gewisser patriotischer Medienzar, das Benzin in unserem Tank. Das haben Sie nicht gehört , junger Mr .  Osnard . Der Name Hatry wird mir nie über die Lippen kommen . Und dann saugte er an den Zähnen. Was für ein Arschloch.
    Osnard steuerte den Wagen an den Straßenrand, stieß an den Bordstein, fuhr hinauf und parkte auf dem Bürgersteig. Ich bin Diplomat, ihr könnt mich alle mal. Casino & Club , stand auf dem Schild, und an der Tür: SCHUSSWAFFEN SIND ABZUGEBEN. Zwei riesige Rausschmeißer in Umhängen und spitzen Hüten bewachten den Eingang. Mädchen in Miniröcken und Netzstrümpfen scharwenzelten am Fuß einer roten Treppe herum. Genau das Richtige für mich.
     
    Es war sechs Uhr morgens.
    »Verdammt, Andy Osnard, ich hatte solche Angst um dich«, gestand Fran nicht ohne Gefühl, als er zu ihr ins Bett stieg. »Wo, zum Teufel, hast du so lange gesteckt?«
    »Sie hat mich fix und fertig gemacht«, sagte er.
    Aber schon zeigte sich, daß er wieder bereit war.

14
    Als Pendel das Haus verließ, in dem es Liebe auf Knopfdruck gab, überkam ihn ein Zorn, der sich lange nicht legen wollte, weder als er in den Geländewagen stieg, noch als er durch rote Nebelschleier hastig nach Hause fuhr, noch als er mit pochendem Herzen auf seiner Seite des Bettes in Bethania lag oder am nächsten und übernächsten Morgen aufwachte. »Ich werde ein paar Tage brauchen«, hatte er Osnard zugemurmelt. Aber er zählte nicht die Tage. Er zählte die Jahre. Und jeden falschen Weg, den er dienstfertig eingeschlagen hatte. Und jede Beleidigung, die er um des größeren Vorteils willen geschluckt hatte, indem er sich lieber kleinmachte als das heraufzubeschwören,

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