Der Schneider
weiter. Bitte.«
»Meine persönliche Meinung« – fuhr Osnard völlig verschüchtert fort –
»Alles andere zählt nicht, Andrew!«
»… ist die, daß wir nur mit Leistungsprämien arbeiten sollten. Also nur zahlen, wenn er was liefert. Genau das hat er sich selbst auch ausbedungen, wenn er uns seine Frau liefert.«
»Andrew, das gibt’s doch nicht! Das hat er Ihnen gesagt? Er hat Ihnen seine Frau verkauft?«
»Noch nicht, aber er hat sie auf den Markt gebracht.«
»Weder in den letzten zwanzig Jahren, Andrew, noch überhaupt jemals in der Geschichte des Service hat uns ein Mann seine Frau für Geld verkauft.«
Für Geldangelegenheiten hatte Osnard eine spezielle Tonlage, er sprach dann gedämpfter, flüssiger, ruhiger.
»Ich schlage vor, wir zahlen ihm regelmäßig Prämien für jede Quelle, die er rekrutiert, einschließlich seiner Frau. Wobei sich die Prämie nach der Zahlung an die jeweilige Quelle richten sollte. Als Pauschale. Wenn sie eine Prämie verdient hat, bekommt er einen Teil davon ab.«
»Zusätzlich?«
»Selbstverständlich. Und dann ist immer noch nicht geklärt, wieviel Sabina ihren Studenten zahlen soll.«
»Diese Leute sollte man nicht verwöhnen, Andrew! Was ist mit Abraxas?«
»Falls Abraxas’ Organisation uns über die Verschwörung informieren sollte, muß Pendel dieselbe Provision erhalten wie er, und zwar fünfundzwanzig Prozent von dem, was wir Abraxas und seiner Gruppe an Prämien zahlen.«
Jetzt legte Luxmore ein Schweigen ein.
»Habe ich richtig gehört? Falls und sollte? Was genau soll das heißen, Andrew?«
»Entschuldigen Sie, Sir. Aber ich werde einfach den Verdacht nicht los, daß Abraxas uns an der Nase herumführt. Beziehungsweise Pendel. Verzeihen Sie. Es ist schon spät.«
»Andrew.«
»Ja, Sir.«
»Hören Sie genau zu, Andrew. Das ist ein Befehl. Es gibt eine Verschwörung. Verlieren Sie nicht den Mut, nur weil Sie müde sind. Natürlich gibt es eine Verschwörung. Sie glauben daran, ich glaube daran. Einer der größten Meinungsmacher der Welt glaubt daran. Persönlich. Aus tiefster Überzeugung. Die besten Köpfe in der Fleet Street glauben daran, oder werden es jedenfalls bald glauben. Es gibt da draußen eine Verschwörung, und die ist von üblen Kreisen innerhalb der panamaischen Elite angezettelt worden, von Leuten, die sich den Kanal unter den Nagel reißen wollen, und wir werden sie enttarnen! Andrew?« Plötzlich alarmiert. »Andrew!«
»Sir?«
»Sagen Sie Scottie. Den Sir brauchen wir nicht mehr. Sind Sie mit sich im Reinen, Andrew? Stehen Sie unter Streß? Fühlen Sie sich wohl? Meine Güte, ich komme mir vor wie ein Scheusal, weil ich mich niemals nach Ihrem persönlichen Wohlergehen bei all dem erkundige. Ich bin heutzutage nicht ohne Einfluß in den höheren Etagen, auch bei den Leuten auf der anderen Seite des Flusses. Es macht mich traurig, wenn ein fleißiger und loyaler junger Mann wie Sie in diesen materialistischen Zeiten nie etwas für sich verlangt.«
Osnard lachte verlegen, wie loyale und fleißige junge Männer lachen, wenn sie verlegen sind.
»Ich hätte gern ein wenig Schlaf, falls Sie mir was davon abgeben könnten.«
»Aber sicher, Andrew. Sofort. So lange Sie wollen. Das ist ein Befehl. Wir brauchen Sie.«
»In Ordnung, Sir. Gute Nacht.«
»Guten Morgen, Andrew. Es ist mir ernst damit. Und wenn Sie aufwachen, dann hören Sie wieder die Verschwörung, laut und deutlich wie ein Jagdsignal, und dann springen Sie aus dem Bett und brechen auf, um danach zu suchen. Das weiß ich. Ich kenne das. Ich habe dieses Signal auch schon gehört. Wir sind dafür in den Krieg gezogen.«
»Gute Nacht, Sir.«
Aber der Tag des fleißigen jungen Agentenführers war noch längst nicht vorbei. Schreiben Sie Ihre Berichte , solange die Erinnerung noch frisch ist , hatten die Ausbilder ihm bis zum Überdruß eingebleut. Er ging in den Tresorraum zurück, schloß eine merkwürdige Metallschatulle auf, deren Kombination nur ihm bekannt war, entnahm ihr einen Band, der nach Gewicht und Bedeutung einem Logbuch nicht unähnlich war: rot und handgebunden und von einer Art eisernem Keuschheitsgürtel umschlungen, dessen Enden sich in einem zweiten Schloß trafen, das Osnard ebenfalls öffnete. Er nahm das Buch mit ins Büro und legte es neben die Leselampe auf den Schreibtisch, zu der Flasche Scotch, seinen Notizen und dem Kassettenrecorder aus der schäbigen Aktentasche.
Das rote Buch war ein unentbehrliches Hilfsmittel für ihn beim
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