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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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hast.«
    »Jetzt mach aber mal einen Punkt«, sagte Katy und schob das Kinn vor. »Ich hab sie zufällig getroffen und dachte, es tut dir gut, nach der Geschichte mit Dad.«
    »Du machst es schon wieder«, warnte Jan.
    » Was mache ich?«
    »Muss ich das wirklich erklären?«
    Eine kurze, unangenehme Pause entstand. Katy atmete geräuschvoll ein und rang sichtlich um Geduld. »Ich hab’s gut gemeint, okay?«
    »Eben. Das ist ja das Problem. Hör auf damit.«
    »Was ist los mit dir? Geht’s um Laura? Bist du so gereizt, weil sie sich abgeseilt hat?«
    »Blödsinn. Im Gegensatz zu dir bin ich hier nicht auf Partnersuche.«
    »Jetzt fang bloß nicht damit an, ja!« Katys Wangen waren gerötet, ihre Stimme plötzlich schrill. Jan kochte innerlich, aber er wusste nur zu gut, wie das hier enden würde. Mit Tränen oder einem Wutausbruch seiner Schwester, und er wollte keins von beidem, am allerwenigsten die Tränen.
    Ein Jahr nachdem ihre Mutter sich aus dem Staub gemacht hatte, Jan war gerade elf geworden, war er heimlich in Katys Zimmer geschlichen, voller Wut über ihr ständiges: Tu dies! Lass das! Außerdem nahm er ihr übel, dass sie weniger darunter litt als er, dass Mutter weg war. Ein paar Mal hatte sie sogar geschimpft, die blöde Kuh solle sich ja nicht einfallen lassen wiederzukommen.
    Jan hatte ziellos das Zimmer seiner Schwester durchwühlt, auch ihr Schmuckkästchen, und einen goldenen Armreif gefunden, der seiner Mutter gehört hatte. Es fühlte sich falsch an, dass Katy diesen Armreif besaß.
    Jan streifte ihn sich über die Hand. Er lag kühl auf der Haut, war zu groß und zu golden für seinen Arm. Trotzdem nahm er ihn mit. Er wusste, dass Katy wütend werden würde. Sie würde wissen, dass er ihn sich genommen hatte. Na und? Sie hatte ihn ohnehin nicht verdient.
    Eine Stunde später rutschte ihm der Armreif vom Handgelenk, rollte klimpernd über die eisverkrustete Bordsteinkante, zwischen die Eisenstreben eines Gullys, und fiel in die Kanalisation.
    Jan riss so lange an dem Eisendeckel, bis ihm Hände und Arme weh taten. Ohne Erfolg.
    Am nächsten Abend entdeckte Katy, dass der Armreif fehlte. Jan hatte alles Mögliche erwartet. Drohungen, Beschimpfungen, was auch immer – er war gewappnet. Stattdessen brach sie in Tränen aus und weinte so heftig wie noch nicht einmal bei Theos Beerdigung.
    Jan tat in der Nacht kein Auge zu. Bei Tagesanbruch hebelten sie mit einer Spitzhacke gemeinsam den Gully auf. Es fiel Schneeregen. Kaltes Schmutzwasser lief in den Kanal. Der enge Schacht schien Jan erdrücken zu wollen. Als er endlich den Armreif im eisigen Moder ertastete, waren seine Hände steifgefroren. Katys Gesichtsausdruck, als er ihr den Armreif gab, hatte er nie vergessen.
    Dann war Gregs Cherokee vorgefahren und hatte Jan aus seinen Gedanken gerissen. Die Haustür ging, Greg kam die Treppe empor und platzte mitten in das betretene Schweigen. »Was ist denn hier los?«
    »Du bist los«, knurrte Jan, und dann, zu Katy gewandt: »Mach, was du für richtig hältst. Aber lass wenigstens Anna und Nele nicht hängen.«
    Gregs Blick pendelte zwischen ihnen hin und her. »Geschwisterliebe, was?«
    »Blitzmerker.« Jan drängte sich an Katy vorbei ins Nebenzimmer und warf seine Kleidung in den Koffer.
    »Wo willst du hin?«, rief Greg.
    »Nach Hause. Wohin sonst.« Als er die Haustür hinter sich zuwarf, klirrten die Glasscheiben im Fensterkreuz.
    Wenigstens saß er jetzt im Zug, hatte seine Ruhe und war auf dem Heimweg.
    Er zog Lauras Handy aus der Jackentasche und versuchte, es einzuschalten. Aber nichts tat sich. Entweder der Akku war leer, oder das Handy war nass geworden.
    Er nahm sein eigenes Telefon und wählte die Nummer, unter der Laura die SMS an Katy verschickt hatte. Vorsorglich hatte er sie notiert.
    Nichts.
    Da war es wieder. Das mulmige Gefühl. Er dachte an den Text der SMS. Brauchte Abstand. Bin zurück nach Berlin. So weit, so gut. Aber wieso schrieb sie Mach dir keine Sorgen und grüß die anderen ? Warum sollte Laura Katy und Greg grüßen wollen? Die drei hatten gestritten.
    Beunruhigt sah er aus dem Fenster, während die Bäume und Strommasten auf dem Weg zum Berliner Hauptbahnhof am ICE 914 vorbeijagten.

Kapitel 10
    Berlin, 18. Oktober, 19:49 Uhr
    Das heiße Wasser brannte auf seinem Rücken. Noch in dieser Nacht würde er handeln. Je früher, desto besser. Er legte den Kopf in den Nacken, so dass der glühende Strahl ihn im Gesicht traf. Der Schmerz gab ihm das Gefühl von Reinigung. Um

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