Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
Vom Netzwerk:
Frauenstimme.
    »Wenn du die Tabletten nicht schluckst, hole ich eine Spritze.«
    Laura kapitulierte. Widerstrebend öffnete sie den Mund, und er steckte die Tablette hinein.
    »Schlucken«, befahl er und sah auf ihren Kehlkopf.
    Sie würgte die Tablette trocken hinunter.
    Der Tätowierte nickte zufrieden, gab ihr die zwei restlichen Tabletten und beobachtete ihren Kehlkopf, wie er beim Schlucken hüpfte. Dann richtete er sich ruckartig auf, eilte zur Tür, schaltete das Licht aus und schloss hinter sich ab.
    Die Frauenstimme drang noch eine Minute durch die Wand. Dann verstummte sie.

Kapitel 9
    Deutschland, 18. Oktober, 19:38 Uhr
    Jan saß auf der Rückbank des Cherokee und schielte in Richtung Tacho. Die Nadel zitterte bei 170 Stundenkilometern. Das Wasser auf der Autobahn bildete einen durchgehenden Film, in dem sich Regen und Wolken unwirklich spiegelten.
    Der Sattelschlepper rechts neben ihm fing plötzlich an zu schlingern. Jan öffnete den Mund, aber bevor er schreien konnte, gab es eine Erschütterung. Der Sattelschlepper touchierte den Cherokee, der Jeep verlor die Bodenhaftung und geriet außer Kontrolle. Die Reifen heulten wütend in der Luft, der Wagen drehte sich lautlos um seine eigene Achse, und Jans Blick flog zum Kindersitz neben ihm. Er war riesengroß und leer, die beiden offenen Gurthälften wirbelten schwerelos umeinander. Noch wenige Sekunden zuvor hatte Laura in diesem Sitz gesessen. Der Wagen drehte sich immer noch in der Luft. Sein Vater und seine Mutter hatten sich auf den Vordersitzen umgedreht, starrten ihn vorwurfsvoll an.
    Zentimeter bevor der Wagen wieder den Boden berührte, schrak Jan aus dem Traum hoch.
    Sein Herz schlug wild, und er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Neben ihm glitt die Landschaft am Fenster des ICEs vorbei, auf der Haut spürte er den Luftzug der Klimaanlage, und der Stoffsitz roch nach fremden Menschen.
    Er warf einen Blick auf das Display seines Handys. Zwanzig vor acht. Um kurz vor neun würde der ICE 914 den Berliner Hauptbahnhof erreichen.
    Am Vormittag war er noch in Èze gewesen, alleine mit Katy – Greg war nach Beaulieu zum Bäcker gefahren. Der Himmel hatte sich leergeregnet und sich zu einem Blassgrau herabgelassen; das Meer glänzte fahl hinter der Panoramascheibe. Auf dem Esstisch vibrierte Katys Handy. Sie tippte auf den Bildschirm, las kurz und hob die Brauen. Wortlos reichte sie das Handy an Jan weiter.
    Am oberen Bildrand stand eine unbekannte Nummer, darunter eine SMS.
10:48
Hallo Jan. Hab es nicht mehr ausgehalten. Brauchte Abstand. Bin zurück nach Berlin. Mach dir keine Sorgen und grüß die anderen. Laura.
    Jan spürte einen Stich im Magen.
    »Sag ich doch«, murmelte Katy. »Das ist typisch.«
    »Hm?«
    »Das hat sie früher doch ständig gemacht. Wenn es ums Abhauen oder Schwänzen ging, war sie Spitzenreiter bei uns an der Schule.«
    »Ehrlich? Habe ich gar nicht mitgekriegt.«
    »Du hast so einiges nicht mitgekriegt.«
    Jan verzog den Mund. An vieles aus seiner Schulzeit konnte er sich tatsächlich nur verschwommen erinnern. Nach Theos Tod und dem Verschwinden seiner Mutter hatte er die Welt oft in einer Art Wachkoma erlebt.
    »Am Ende ist sie deswegen ja auch geflogen und musste aufs Internat.«
    »Internat?« Jan stutzte. »Woher weißt du das?«
    Katy schwieg – einen kleinen Moment zu lange.
    »Oder wusstest du das damals schon?«, fragte Jan argwöhnisch.
    Katy zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, es ist nicht so wichtig.«
    »Blödsinn. Du wolltest nicht, dass ich es weiß, richtig?«
    Katy zuckte erneut mit den Schultern und sah störrisch drein, wie immer, wenn sie sich ertappt fühlte. »Du warst 14 und total labil. Und Laura war vollkommen durchgeknallt. Ich meine, ich mochte sie, aber Laura und du, das hätte dich umgehauen. Gerade nachdem … du weißt schon. Was hätte ich also deiner Meinung nach tun sollen, hm?«
    »Mal nicht meine Mama spielen, zur Abwechslung.«
    »Mir wär’s auch lieber gewesen, Mama wäre nicht abgehauen. Die Rolle stand mir bis hier.« Katys Hand schnitt auf Augenhöhe durch die Luft.
    Jan musste an ihren Mann Sören denken und die Zwillinge. Vermutlich stand ihr die Rolle immer noch ›bis hier‹. Im selben Moment wurde ihm noch etwas anderes klar. »Ach, deswegen«, murmelte er.
    »Genau deswegen«, sagte Katy.
    »Es ging um dein schlechtes Gewissen.«
    »Was?«
    »Du hast Laura zu unserem Beaulieu-Trip eingeladen, weil du immer noch ein schlechtes Gewissen wegen damals

Weitere Kostenlose Bücher