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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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seine geschlossenen Augen herum liefen schwarze Schlieren über sein Gesicht, dann seinen Körper hinab. Im Abfluss wurden sie zu einem dunklen Strudel.
    Reinigung war Kontrolle.
    Und Kontrolle bedeutete Macht.
    Er dachte an Laura, daran, dass er Nordholm erwähnt hatte. Und an ihre weit aufgerissenen Augen.
    Es dampfte, als er aus der Dusche trat. Noch war seine Haut gerötet. Später würde sie schimmern wie Marmor mit einem Geflecht kleiner Äderchen. Er betrachtete sich im Spiegel.
    Froggy war unsichtbar. Genauso wie Peter. So hatten ihn seine Eltern genannt. Zwei beschissene Namen. Er hatte sie abgestreift wie eine alte Haut.
    Jetzt gab es nur noch Fjodor.
    Fjodor kam von Theodor und hieß so viel wie Gottes Geschenk . Laut Geburtsurkunde war das sein zweiter Vorname. Seine Eltern hatten ihn immer gemieden wie die Pest, auch im Ausweis hatte er nie gestanden. Irgendwann hatte er im Keller eine alte Blechschachtel gefunden, mit verblichenen Schwarzweißfotos. Eins zeigte seinen Großvater, einen hochgewachsenen, weißhaarigen Mann mit vornehmer Blässe. Auf der Rückseite stand in krakeliger Handschrift sein Name: Fjodor.
    Ein Geschenk Gottes, wahrhaftig.
    Der Name Jan dagegen bedeutete: Er hat Gnade erwiesen . Das klang nach Schwächling. Fjodor spuckte ins Waschbecken. Für Jan würde es keine Gnade geben.
    Noch vor kurzem hätte er da weitermachen können, wo er aufgehört hatte. Einfach die Leitung reparieren, neues Harz und neuen Fixierer besorgen, die Becken reinigen und es zu Ende bringen. Doch das musste nun noch warten.
    Die Prioritäten hatten sich verschoben.
    Jan war im Weg, wie eine zu große Kröte auf einer zu kleinen Straße.
    Er hätte gerne geglaubt, dass Jan ihr nichts bedeutete. Ja, er hatte ihr die Chance gegeben, es zu beweisen. Sie hätte nur Jans Namen verraten müssen. Stattdessen hatte sie ihn angespuckt.
    Die Kröte musste weg von der Straße.
    Zwei Stunden später bog er in Moabit in die Stephanstraße ab, parkte den Wagen, den er mit einem weiteren gestohlenen Kennzeichen versehen hatte, stieg aus und lief zielstrebig weiter, in seinem überlangen dunkelgrauen Mantel mit der weiten Kapuze, die sein Gesicht verschattete. Dabei trat er mit seinen blankgeputzten Schuhen immer zwischen die Fugen der Gehwegplatten, niemals darauf.
    Innerlich musste er lachen. Es war unglaublich, wie einfach heute alles war. Ein Name, eine Telefonnummer, ein Computer. Wer sich nicht gerade versteckte, den fand man sofort. Besonders Leute wie diesen Jan Floss. Eitel, konsumgeil, oben auf der Welle. Das verrieten sein Karriereprofil bei Xing, die Verlinkungen, seine Vita und die Fotos.
    Fjodor bog in die Stendaler Straße ein und schritt die Hausnummern ab, bis er vor einem frisch sanierten Altbau stand. Rote Ziegel mit grau gestrichenen Steinquadern, kein Unkraut zwischen den Ritzen des Bürgersteigs. Er drückte den Klingelknopf mit dem Namen Floss und wartete einen Moment ab.
    Nichts.
    Er las die übrigen Namensschilder, dann läutete er bei einer Wohnung im vierten Geschoss. In der Gegensprechanlage meldete sich eine Frauenstimme.
    »’tschuldigung«, brummte er. »GLS-Kurier. Ich hab ’ne Sendung für Patiz. Da macht niemand auf, aber ich würd ungern später noch mal stören …«
    »Um die Zeit?«, kratzte es aus dem Lautsprecher.
    »War viel los heute. Können Sie aufmachen, dann leg ich’s einfach vor die Tür.«
    Aus dem Lautsprecher kam ein undefinierbares Gemurmel, dann summte der Türöffner, und er trat ein.
    Im Flur blieb Fjodor einen Moment vor der Wohnungstür mit dem Namensschild Patiz stehen, dann ging er zurück zur Haustür, öffnete sie und ließ sie wieder zufallen. Nachdem er fünf Minuten still im Hausflur gewartet hatte, stieg er leise die Treppe empor, bis ganz nach oben in den fünften Stock. Drei Türen. Zwei davon mit nichtssagenden Namen.
    Er zog das Lockpicking-Werkzeug aus seiner Manteltasche, ein Gerät von der Form und Größe einer elektrischen Zahnbürste. Schlösser zu knacken war nicht unbedingt sein größtes Talent, aber wer in der Lage war, im Internet zu recherchieren und zu bestellen, der brauchte auch kein Talent – nur etwas Übung. Vor allem dann, wenn man es mit einem banalen Standardschloss zu tun hatte. Behutsam schob er den dünnen Metallaufsatz in den Zylinderschlitz. Im Inneren des Schlosses klickte es kaum hörbar. Dann löste er den Schlagimpuls aus und drehte das Schloss.
    Nicht einmal eine Minute. Er lächelte, trat in die dunkle Wohnung, drückte

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