Der Schock: Psychothriller (German Edition)
leise die Tür hinter sich zu und zog die Kapuze ab. Mit geschlossenen Augen und weit geöffneten Nasenflügeln sog er die Luft ein. Erdig, holzig, würzig und ein Hauch Frucht, vielleicht Zitrone. Und da war noch etwas anderes. Der Duft von Kaffee.
So also riechst du, Jan Floss.
Fjodor öffnete die Augen und tastete neben der Eingangstür nach dem Lichtschalter. Eine Reihe von Halogenstrahlern leuchtete auf und wurde weich vom Parkett reflektiert. Der Flur war überraschend klein und mündete linker Hand in einer gemauerten Treppe, die mit Parkett ausgelegt war und wie ein Schacht ins Dachgeschoss führte. Im Flur gab es einen weißen Einbauschrank, eine Ablage im Stil des Parketts, ansonsten nichts. Keine Bilder, keine Deko, nicht einmal einen Spiegel.
Du magst dich nicht, Jan Floss. Ist es wegen deines Feuermals?
Er musste wieder an die Côte d’Azur denken, an das Haus am Hang im strömenden Regen. Hätte er da schon alles gewusst, er hätte nicht gezögert und kurzen Prozess gemacht.
Fjodor stieg die Treppe nach oben und kam in einen großen Wohnraum mit Küche. Der offene Dachstuhl bestand aus alten Vierkant-Balken. Die Dachschrägen waren durchsetzt von Fenstern und großen Gauben.
In einem verglasten Erker stand ein alter einfacher Landhaustisch, darauf eine silberne Drahtschale mit Apfelsinen und Zitronen. Eine davon hatte einen kleinen Schimmelfleck.
Die Rückwand der offenen Küche bestand aus alten Ziegeln. Eine silbern schimmernde ECM-Espressomaschine stand auf der Arbeitsfläche, daneben ein überdimensioniertes Mahlwerk. Der Deckel saß nicht ganz fest auf dem Behälter, und das Aroma der Espressobohnen erfüllte den Raum.
Fjodor rümpfte verächtlich die Nase. Schimmel und offene Kaffeebohnen. Wie konnte jemand, der … er stutzte, und seine Augen wurden schmal. Jan Floss, dachte er, du liebst Kaffee. Jemand mit so einer Espressomaschine liebt Kaffee. Du würdest nie den Behälter für die Bohnen offen lassen. Sie würden ihr Aroma verlieren, und das weißt du.
Aber wenn du es nicht warst, wer war es dann?
Er sah sich um.
Horchte in die Stille.
Aber da war niemand.
Er betrat das Schlafzimmer. Das Bett war eins vierzig breit, das sah er sofort. Breit genug für zwei und dennoch so eng, dass man sich immerzu berühren würde, wenn man zu zweit darin schlief.
Er musste an Laura denken.
Immerzu berühren.
War Laura etwa schon einmal hier gewesen?
Der Gedanke machte ihn geradezu krank.
In diesem Moment hörte er das leise metallische Geräusch eines Schlüssels, der in ein Schloss geschoben wurde, dann das Klacken des Schnappers.
Seine Augen wurden zu Schlitzen, seine Nasenflügel weiteten sich. Er war bereit.
Kapitel 11
Berlin, 18. Oktober, 21:57 Uhr
Als die Haustür aufschwang, kläffte ein dürrer Pekinese mit fransigen Ohren Jan hysterisch an.
»Franzi, ssscht! Lass das.« Die alte Dame zog an der Leine, und der Hund hing mit den Vorderpfoten in der Luft, kläffte aber weiter. Umständlich schob sie sich an Jan vorbei auf die Straße, nicht ohne nach seinem Feuermal zu schielen. Ihr Mantel roch nach Mottenkugeln und altem Schweiß. Rasch trat Jan durch die offene Tür in den Hausflur.
Als er mit dem Schlüssel in der Hand vor der Wohnungstür stand, zögerte er einen Moment. Sah sich um. Es war still im Flur.
Das Öffnen der Tür hallte im Treppenhaus leise wider. In der Wohnung war es dunkel. Leise trat er ein, drückte die Tür hinter sich zu und hielt den Atem an. War da nicht etwas?
Sein Herz schlug so laut, dass er glaubte, man könne es in der Nachbarwohnung hören.
Er tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür. Seine Finger stießen an Plastik. Ein Luftzug strich über seinen Nacken, als hätte jemand hinter ihm ausgeatmet. Im Hausflur schlug eine Tür zu.
Schnell drückte er den Schalter.
Eine schummrige japanrote Papierlampe flammte auf, mit asiatischen Schriftzeichen und goldenen Fäden. Der Flur von Lauras Wohnung war schlauchartig und spärlich möbliert, es gab nur eine schmale Kommode mit einem Telefon. Die Wände dagegen waren geradezu überladen. Links und rechts hingen hundert, vielleicht auch zweihundert Fotos, alle ohne Rahmen, dicht an dicht, dazwischen Postkarten und Zettel mit kleinen Notizen.
Jan starrte auf das Sammelsurium und hatte das ungute Gefühl, dass es Laura nicht recht sein könnte, wenn er hier stand.
Eine halbe Stunde zuvor hatte er Katy angerufen und sie nach Lauras Adresse gefragt. »Moabit, Bremer Straße 10«, war Katys
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