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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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»Ruhig«, flüsterte er. »Beruhig dich und denk nach.«
    Er starrte die Tote an. Erkannte das Küchenmesser – sein Küchenmesser – , dessen Griff unterhalb der linken Brust aus der Leiche ragte. Gefrorenes Blut hatte eine dunkle Spur hinterlassen, vom Herz bis zum weißen Plastikboden des Tiefkühlschranks. Nikki Reichert war mit Gewalt in den Innenraum gequetscht worden. Die unnatürliche Haltung zeugte von etlichen gebrochenen Gelenken. Er würgte erneut. Schluckte. Atmete.
    NICHT LAURA.
    Wer um alles in der Welt hatte das …
    Ein lautes Schrillen an der Wohnungstür ließ ihn zusammenfahren.
    Stille.
    Nur ein dumpfes Pochen in seinem Kopf.
    Dann ein zweites Klingeln.
    Jan rührte sich nicht. Das hört gleich auf, versuchte er sich zu beruhigen.
    Es klingelte wieder, diesmal länger. Hartnäckiger.
    Jan stand auf. Schlich die Treppe zur Tür hinab, nur mit Unterhose und Hemd bekleidet. Auf dem Flur hörte er Stimmen. »Er muss da sein. Er ist irgendwann nach elf gekommen und seitdem nicht mehr rausgegangen.« Das war unverkennbar Norbert, Nikkis Freund.
    »Sind Sie sicher, dass sie hier ist?«, ertönte eine andere, dunklere Stimme. »Ich meine, sie könnte ja auch woanders hingegangen sein.«
    »Im Schlafanzug? Wohin denn? Wir haben uns DVDs angesehen. Lost , Staffel VI, das Finale. Da steht man nicht einfach auf und haut ab. Sie wollte nur eben nebenan das Grünzeug gießen.«
    Jan hielt den Atem an, während er lauschte. Es klingelte erneut, direkt neben seinem Ohr. Drängend und schrill.
    »Ist doch komisch, dass er nicht aufmacht, oder? Können Sie nicht irgendwie die Tür öffnen?«
    »Jetzt aber mal langsam«, beschwichtigte die dunkle Stimme.
    »Aber sie ist da drinnen, hundertprozentig.«
    »Mag sein. Aber vielleicht ist sie ja auch freiwillig hier.«
    »Was wollen Sie denn damit sagen?«
    »Phil, so ganz koscher ist das nicht«, sagte eine dritte Männerstimme. »Die beiden sitzen um 22 : 00 Uhr gemeinsam auf der Couch, gucken fern, und sie geht im Schlafanzug rüber und ist seitdem verschwunden. Das ist inzwischen 16 Stunden her. Und sie hat keine Schuhe dabei, keine Jacke, kein Handy, kein Portemonnaie …«
    Lautlos trat Jan an die Tür und linste durch den Spion. Draußen standen drei Männer. Der eine war Norbert, rundlich, mit seinem immer roten schwammigen Hals und den engstehenden Augen.
    Die beiden anderen Männer waren uniformierte Polizisten. Einer von ihnen schlug mit der flachen Hand gegen die Tür. »Herr Floss? Polizei. Wir wissen, dass Sie da sind. Bitte machen Sie auf.«

Kapitel 15
    Berlin, 19. Oktober, 14:22 Uhr
    Fjodor verdrängte die Frage, ob er mit Laura nicht einen Fehler gemacht hatte.
    Es war, wie es war.
    Er richtete den Schlauch auf den Boden. Das Wasser dampfte, und er trieb die roten Pfützen mit dem Strahl Richtung Abfluss. Der Stahltisch glänzte bereits wieder, die Schläuche waren entsorgt, der elektrische Stapler sauber geparkt und die Becken geleert, gereinigt und versiegelt. Dreck und Staub waren die schlimmsten Feinde eines perfekten Präparats. Nur Lufteinschlüsse waren noch hässlicher.
    Er hatte noch Lauras Gesicht vor Augen. Blass und friedlich. Ein Gesicht für die Ewigkeit. Ganz im Gegensatz zu dem Bild auf Lauras Pass, der in ihrem Portemonnaie gesteckt hatte. Auf dem biometrischen Passfoto blickte sie ernst, hart, und ihre Haut wirkte grünlich. Er hasste biometrische Bilder.
    Erinnerungen an sein eigenes erstes Passfoto schossen ihm in den Sinn. Mutter hatte alles noch genauer genommen als sonst. Teureres Make-up. Besseres Färbemittel. Härteres Zupacken. Ihr Griff in seinem Nacken war eisern gewesen, als sie seinen Kopf ins Waschbecken presste, unter den heißen Strahl. Seine Augen waren kaum fünf Zentimeter über dem Abfluss, wo das Wasser giftschwarz in den Siphon strudelte und nach dieser Mischung aus Färbemittel, Haarresten und Hautpartikeln roch.
    Danach war ihm der Blick in den Spiegel immer vorgekommen wie der Blick auf ein fremdes Wesen, das zudem auch noch rote Druckstellen am Hals hatte. Für das Passfoto hatte er einen Schal tragen müssen. Der Fotograf hatte ihn die ganze Zeit angestarrt. Aber wie alle anderen hatte auch er seinen Mund gehalten und sich auf seinen Job konzentriert.
    Fjodor hatte Lauras Pass sorgfältig ins Portemonnaie zurückgesteckt – und noch etwas anderes dazu, ein mehr als deutliches Signal. Ein Signal, das sie verstehen würde. Sie sollte wissen, dass er auf ihrer Seite war. Sie sollte sich sicher

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