Der Schock: Psychothriller (German Edition)
Jan. »Gib Vollgas! Schnell!«
Katy zuckte zusammen, der Wagen machte einen kleinen Schlenker – und dann einen Satz nach vorne. Die Tachonadel schoss auf 180, und der Range Rover fiel ein paar Meter zurück. »Der hat irgendwas auf seinem Sitz liegen«, sagte Jan. »Lass ihn bloß nicht neben uns kommen!«
»Was meinst du damit? Was hat der da liegen?«
»Ich hab keine Ahnung. Der hat irgendetwas vor!«
Katy war leichenblass, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, und sie presste die Zähne zusammen. Sie rasten in eine sanfte Linkskurve, dann flog ein Ortsschild auf sie zu. Rossow.
»Scheiße«, sagte sie leise, zog in die Mitte der Fahrbahn und stieg auf die Bremse. Mit fast 100 Stundenkilometern preschten sie in den Ort. Katy bremste weiter ab. Erst 90, dann 80. Der Geländewagen blieb dran, ließ sich aber ein paar Meter weiter zurückfallen.
»Er legt es drauf an, uns außerhalb der Ortschaft zu kriegen«, sagte Jan.
»Zu kriegen. Was meinst du denn mit kriegen?«
»Verdammt, ich weiß es doch nicht, ich weiß nur, der hat irgendwas vor.«
Die Häuser flogen vorbei, dann das Schild am Ortsausgang. Vor ihnen lag die nächste lange Gerade, und Katy trat entschlossen aufs Gaspedal. 160, 180, 200 … Die Landstraße schrumpfte bei dieser Geschwindigkeit zu einem schmalen Nadelöhr. Jans Magen krampfte sich zusammen. Erinnerungen stürzten auf ihn ein, der Unfall von damals, der leere Kindersitz, Theos kleiner Körper.
Vor ihnen flog das Heck eines roten Mazdas heran. Sie schossen links an ihm vorbei, ordneten sich wieder ein, als wäre er ein stehendes Hindernis. Auf der Gegenfahrbahn wischten zwei Autos an ihnen vorbei. Jan musste an die Aufprallgeschwindigkeit denken. Wir 200, der andere 100, also insgesamt 300 Stundenkilometer.
Der Range Rover klebte förmlich an ihrem Heck, aber Katy gab ihm keine Gelegenheit, zu überholen oder neben sie zu kommen.
»Was, glaubst du, hat der da? Was hat der vor?«, fragte Katy noch einmal.
»Ich weiß nicht, vielleicht eine Pistole?«
Sie rasten auf den nächsten Ort zu. Rägelin. Katy trat scharf auf die Bremse, so dass Jan fürchtete, der Rover würde in sie hineinfahren. Doch nichts passierte. Wie schon im letzten Dorf hielt der Rover Abstand. Mit 80 ging es durch die verschlafene Ortschaft, als Jan plötzlich die Kamera sah. Sie stand rechts am Straßenrand, auf einem Stativ, halb verdeckt von einer Autotür.
»Brems, da ist ein –«
Ein grellroter Blitz flammte auf. Der schwarze Wagen hinter ihnen wurde jäh langsamer. Zweihundert Meter weiter stand ein Streifenwagen. Ein Beamter in Uniform trat auf die Straße und schwenkte eine rot leuchtende Polizeikelle.
Katy blies die Wangen auf, prustete, bremste und fuhr rechts ran. Der Range Rover kam näher und näher, dann zog er links an ihnen vorbei, ohne angehalten zu werden. Das schwarze Heck verschwand in der nächsten Kurve der Dorfstraße wie ein böser Geist. Jan stellte sich vor, wie er in einer Seitenstraße hielt und sich dort auf die Lauer legte, auf dem Beifahrersitz irgendeine Waffe.
Durch die Windschutzscheibe sah Jan den Polizisten näher kommen. »Ist die Schminke noch okay?«
Katy musterte ihn rasch und nickte. Als sie den Wahlhebel des Automatikgetriebes auf Parken stellte, sah Jan, dass ihre Hand zitterte. Sie ließ die Scheibe herab, der Beamte mit der Kelle trat ans Fenster und warf einen Blick ins Wageninnere. Er war blond, hatte makellose Haut und einen Bürstenhaarschnitt, auf dem die Dienstmütze akkurat saß. Jung, attraktiv, dynamisch. Wache graue Augen. Einer, der weiterkommen wollte, dachte Jan. Der Blick des Polizisten verweilte einen langen Moment auf ihm, als fiele ihm die Schminke auf und als müsste er überlegen, was es damit auf sich haben könnte. Dann huschte sein Blick durch das Wageninnere.
»Guten Tag, Sänger mein Name. Verkehrskontrolle.« Er sah Katy tadelnd an. »Sie sind zu schnell gefahren. Ist Ihnen das bewusst?«
Katy guckte zerknirscht. »Tut mir leid. Das ist nicht mein Wagen. Bei diesen großen Kisten verschätzt man sich so schnell mit der Geschwindigkeit.«
Der Polizist sah sie argwöhnisch an, als wollte er sagen, dass er die Weibchen-Masche schon oft genug erlebt hatte. »Wessen Wagen ist es denn?«
»Der von meinem Freund.«
»Ah. Dann geben Sie mir doch bitte Führerschein und Fahrzeugpapiere.«
Katy zog den Führerschein aus ihrem Portemonnaie. Jan war mehr als erleichtert, dass er nicht gefahren war. Er hatte seinen Führerschein fast nie
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