Der Schockwellenreiter
chronologisch erst achtundzwanzig ist (plötzliche Erinnerung an die Sache mit der Sehhilfe: au weia!), und einerseits jugendlich genug, um auf die Damen in mittleren Jahren attraktiv zu wirken, andererseits aber schon so reif, um Teenager zu beeindrucken. Vormerken: Zweiunddreißig bis möglicherweise sechsunddreißig dehnbar? Augen und Ohren nach Daten aufsperren!
Bestellt und abgeholt
Über vierzig, aber schweigsam darüber, um wieviel, schön und dazu in der Lage, es noch für ein beachtliches Weilchen zu bleiben, zur Zeit aufgrund ihrer hellen Sonnenbräune von prachtvollstem Aussehen, das Haar von der Sonne gebleicht, nicht von Shampoo, und dazu imstande, sich gegenwärtig eine Stunde Schlaf je Nacht mehr zu leisten, als sie seit wahren Ewigkeiten nächtlings bekommen hatte, galt nicht nur all das für Ina Grierson, sondern obendrein auch: sie war ein zähes Luder. Als Beweis durfte die Tatsache gelten, daß sie Leiterin der Abteilung Orbitalschichten-Organisation beim Hauptsitz der Industrie im All AG in Kansas City war, dem größten Orbitalfabriken-Erbauer der Welt.
Die Frage allerdings war: zäh genug? Sie dachte an das alte Sprichwort, das besagte, man könne bis auf die Ebene der Inkompetenz befördert werden - wie nannte man das noch gleich wieder, das Peter-Päppelt-Paul-Prinzip, oder so ähnlich? -, und grämte sich innerlich auf zermürbende Weise. Ihre Tochter weigerte sich hartnäckig, endlich die Lernerei zu stecken, Jahr um Jahr meldete sie sich für seltsamere und wildere Hochschulkurse an (und alle an derselben Universität, ach, um Himmels willen! - es wäre doch wirklich nicht so schlecht, könnte sie sich bloß dazu überwinden, sich einmal woanders umzusehen!). Ina fühlte sich dadurch gebunden und hätte sich doch eigentlich gerne verändert, wäre an den Golf oder nach Colorado oder auch zur Bay gefahren, in letzterem Fall jedoch vorausgesetzt, daß die Schlupftechnik inzwischen tatsächlich so wirksam war, wie die Seismologen behaupteten, und es kein neues Millionen-Tote-Erdbeben gab, niemals wieder. oder wenigstens nicht in den nächsten fünfzig Jahren.
Selbstverständlich mußte es eine Veränderung nach ihren Bedingungen sein - nicht denen anderer Leute. Im letzten Jahr hatte sie fünf Angebote ausgeschlagen. In diesem Jahr erst eines. Und im folgenden Jahr?
Was für ein Kreuz, eine Tochter zu haben, die so außer Schritt und Tritt war wie Kate - herrjemine! Warum konnte diese dumme Pflaume sich bloß nicht normal verhalten, so wie jede andere, sich aufraffen und woanders einstöpseln, am besten auf einem anderen Erdteil? Hätte die Anti-Trauma GmbH früh genug mit ihr angefangen . Taktlose Menschen wunderten sich manchmal in aller Öffentlichkeit darüber, wieso Ina darauf bestand, in derselben Stadt wie ihre Tochter zu bleiben, die doch immerhin nun zweiundzwanzig war, ihre eigene Bude hatte, seit sie aufs College ging, und weder besonders klettenhaft war noch unselbständig. Aber auf diesbezügliche Fragen reagierte Ina sehr sauer. Sie mochte einfach keine Fragen leiden, auf die sie keine Antwort wußte.
Nach der ersten Woche ihres zweiwöchigen Urlaubs hatte Ina dringend etwas Aufmunterung nötig, aber der Mann, der ihr seit ihrer Ankunft Gesellschaft geleistet hatte, war tags zuvor abgereist. Das hieß, sie mußte allein essen. Es wurde ja immer schlimmer auf der Welt. Schließlich zog sie mit einigem Aufwand an Willenskraft ihr Lieblingsabendkleid in Rot und Gold an und begab sich auf die unterm freien Himmel gelegene Speise-Terrasse, wo sich leise Musik mit dem Rauschen der Wellen vermengte. Nach zwei Drinks fühlte sie sich ein bißchen wohler. Aber wie wäre es denn, um den gewohnten Glanz in ihr Dasein zurückzuholen, mit Champagner? Eine Minute später schrie sie den Kellner an (so etwas gab es hier, weil es sich um ein teures und exklusives Haus handelte, keine derartige Nullachtfuffzehn-Absteige, wo man's nur mit Maschinen zu schaffen bekam, die grundsätzlich alles verkehrt machten. aber das sollte nicht heißen, daß Menschen dagegen gefeit wären). »Was zum Teufel meinen Sie damit, Sie haben keinen?!«
»Dieser Gentleman dort drüben.« - der Kellner wies hinüber - ».hat soeben die letzte Flasche unseres Vorrats bestellt.«
»Holen Sie den Geschäftsführer!« Derselbe fand sich ein und erläuterte mit allen Anzeichen des Bedauerns, die wahrscheinlich nicht geschauspielert waren (wem behagt es schon, seinen Stolz und seine Freude durch ein bloßes
Weitere Kostenlose Bücher