Der Schockwellenreiter
nicht, ob ich Sie richtig verstehe.«
»Na, ich meine, dies Talent >nicht sonderlich bemerkenswert< zu nennen!«
»Aber das ist es auch nicht.« Freeman lehnte sich in seinem Polstersessel zurück. »Jedenfalls nicht nach unseren Begriffen.«
»Das ist es ja eben«, sagte Hartz gedämpft. »Nach Ihren Begriffen. Bisweilen habe ich davon den Eindruck, als seien sie gar nicht.«
»Menschlich?« Freeman nickte. »Oh, aber sie sind's, das kann ich Ihnen versichern. Wir sind eine sehr begabte Lebensform. Am meisten haben wir hier damit zu tun, vernachlässigte Fähigkeiten wiederzuentdecken. Über einige unserer wertvollsten geistigen Hilfsmittel sind wir lange Zeit im Zustand schrecklicher Unkenntnis geblieben. Solange wir diese Wissenslücken nicht geschlossen haben, können wir unseren Weg in die Zukunft nicht anständig planen.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich glaube, es reicht für heute. Ich werde die Schwester rufen und ihn zum Füttern und Säubern bringen lassen.«
»Auch das beunruhigt mich. Ich meine, Sie in so. so unpersönlicher Ausdrucksweise von ihm reden zu hören. Zwar bewundere ich Ihre Gründlichkeit, Ihre Entschlossenheit, aber ich hege Vorbehalte gegen Ihre Methoden.«
Freeman erhob sich und reckte sich ein wenig, um seine verkrampften Gliedmaßen zu lockern. »Wir wenden die Methoden an, von denen wir wissen, daß sie sich bewähren, Mr. Hartz. Und außerdem berücksichtigen Sie bitte, daß wir uns mit einem Kriminellen beschäftigen, einem Renegatenelement, das sich, wäre ihm dazu eine Gelegenheit geboten worden, bereitwillig zum Verräter entwickelt hätte. Es arbeiten, nebenbei bemerkt, andere Leute an ähnlichen Projekten wie wir, und davon sind manche nicht nur zielstrebig, sondern regelrecht brutal. Ich bin sicher, Sie möchten nicht, daß unsereins von Leuten solchen Schlages verdrängt wird.«
»Natürlich nicht«, sagte Hartz mißbehaglich und fuhr sich mit einem Finger an der Innenseite des Kragens entlang, als wäre er ihm plötzlich zu eng geworden.
Freeman lächelte. Er wirkte dabei wie ein schwarzer KürbisGeist. »Habe ich morgen auch das Vergnügen Ihrer Anwesenheit?«
»Nein, ich muß zurück nach Washington. Aber. äh. eines interessiert mich noch.«
»Ja?«
»Was hat er getan, nachdem er so überstürzt aus Toledo verschwand?«
»Oh, er legte erst einmal einen Urlaub ein. Sehr vernünftig. Das war wirklich das Klügste, was er machen konnte.«
Zum Zwecke der Re-Identifikation
Gegenwärtig bin ich Sandy P. Locke (Sandy ist, wie ich gelegentlich Leuten beichte, wenn ich lange genug darum gebeten und selber vertraulich werde, keine Kurzform für den guten, alten Alexander, sondern für ganz und gar nichts anderes als Lysander! - noch schlimmer ist's mit dem P. das steht nämlich für Perikles!!!), Alter zweiunddreißig, lotterlebig und in Anbetracht meiner Bartlosigkeit wahrscheinlich nicht ganz echt. Ich gebe mir aber alle Mühe, das zu ändern, und ich könnte sogar demnächst einmal daran denken, in den kommenden Jahren vielleicht zu heiraten.
Ich werde mindestens für eine Zeitlang noch Sandy Locke bleiben, nachdem ich meinen Urlaub in diesem Kurhotel auf den Georgia Sea Islands beendet habe, einem mittelprächtigen modernen Haus, nicht so langweilig hundertprozentig tipptopp wie manche, obwohl es einen Unterwasser-Trakt zur Mutterleibsflucht-Therapie vorweisen kann und der Direktor Diplom-Psychologe ist. Wenigstens gibt's hier keine Empirischen LS-Experimente, wie sie sonst zumeist obligatorisch sind. Dies ist mein zweiter Urlaub in diesem Jahr, und ich werde zumindest noch einen im Spätherbst einschieben. Aber ich bin hier unter Leuten, die die Formulierung >noch einen Urlaub einschieben< schwerlich als eine Umschreibung für >überflüssig und unbeschäftigbar< auslegten, wogegen ich mir eine solche Auffassung von etlichen anderen, denen ich schon begegnet bin, sehr wohl vorstellen kann. Viele der anderen Gäste haben in diesem Jahr bereits ihren dritten Urlaub und beabsichtigen bis zum Jahresende insgesamt fünfmal Urlaub zu machen. Diese Herrschaften jedoch sind erheblich älter, haben die Sorgen um die Kinder und die Kosten für sie längst vom Hals. Ein Dreimal-Urlauber im Alter von zweiunddreißig zu sein, das kennzeichnet mich als kommenden Mann. in allen drei Beziehungen. Im Augenblick liegt der Schwerpunkt auf der dritten Beziehung: ich brauche einen Posten.
Ich habe ein gutes Alter ausgesucht, nicht so schwer zu mimen wie sechsundvierzig, wenn man
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