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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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zu erfahren, was für eine Art von Person sein Code theoretisch aus ihm machte - einen FBI-Mitarbeiter mit Tarnexistenz, einen Agenten der Spionageabwehr, einen Sonderberater des Weißen Hauses, der den Mist bereinigen mußte, den sein Chef anzurichten pflegte. Aber er war nie wirklich so dumm gewesen. Er glich einer Ratte, die durch die Mauern der modernen Gesellschaft huschte. Sobald er seine Nase blicken ließe, riefe man die Kammerjäger.
    Er legte normale Kleidung an und packte alles ein, von dem er das Gefühl hatte, es nicht zurücklassen zu dürfen, und mit allem - darunter solche Habseligkeiten wie übertragbare Delphi-Kärtchen und den brandneuen Kupferbarren - füllte er nur eine Reisetasche. Außerdem steckte er zwei Inhalatoren mit Beruhigungsmitteln ein, denn ihm war völlig klar, daß er dergleichen noch vor Ablauf des Tages benötigte.
    Letztendlich legte er unter seinen Schreibtisch eine Bombe und verband sie per Draht mit der Kommunikatoranlage, so daß er sie durch einen Anruf zünden konnte, wann immer er wollte. Die Zerstörung der Kirche schlug sich sicherlich in der täglichen Auflistung der Verbrechen in den Medien nieder -so viel Morde, so viel Raubüberfälle, soundsoviel Vergewaltigungen -, aber häufig kam man aus Zeitmangel nicht einmal bis zur Erwähnung der Brandstiftungen. Solange niemand bei einer Versicherung Ansprüche anmeldete, war der Fall damit voraussichtlich erledigt. Mit so bequemen Tatverdächtigen im Blickfeld wie den Gralsrittern und Billys Brüderlichen Baptisten würde die überlastete örtliche Polizei sich damit begnügen, ihn als unaufgeklärt zu betrachten und so auch abzuschließen.
    Er warf noch einmal einen Blick rundum, als er die Kuppel zum letztenmal verließ. Auf dem Highway brummte der Verkehr dahin, aber es war niemand in Sicht, der ihm erhöhte Beachtung geschenkt hätte. In mancher Beziehung, fand er, war dies zum Leben ein viel weniger kompliziertes Jahrhundert, als es das 20. Jahrhundert gewesen sein mußte.
    Wäre bloß alles so einfach, wie es aussah.

Die erreichte Stufe
    Als man noch Fernsehen sagte und nicht 3dF, hatte ein berühmter, bärbeißiger, zynischer Historiker namens Angus Porter, der lange genug überlebt hatte, um ein Großer Alter Mann zu werden und dessen lebenslang vertretene linke Ansichten man infolgedessen nun als verzeihliche Spinnerei tolerierte, den Sachverhalt in aller Kürze in einem für Durchschnittsgemüter harten Brocken zusammengefaßt. Einige unverbesserliche Scherzkekse dagegen meinten sofort, er habe eine weiche Birne.
    »Dies ist die dritte Stufe in der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit«, sagte er, als man ihn um eine Äußerung zum Global-Atomwaffenabrüstungsvertrag von 1989 bat. »Zuerst hatten wir das Fußgängergeschlecht. Dann kam das Wettrüstungsgeschlecht. Nun können wir uns zum Denkergeschlecht entwickeln. Und wenn wir Glück haben, wird die letzte Stufe das Menschengeschlecht sein.«
Menschliches Talent
    »So hat er das also hingekriegt«, sagte Hartz voller Bewunderung. Er starrte die geschorene Gestalt auf dem Metallstuhl an, als habe er diesen Mann nie zuvor gesehen. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß man von einem stinknormalen Heim-Kommunikator aus eine vollkommen neue Identität ins Computer-Netz schmuggeln kann. und erst recht nicht ohne Hilfe eines viel größeren Computers, als ihm einer zur Verfügung stand.«
    »Ein regelrechtes Talent«, sagte Freeman, der die Bildschirme und Lämpchen an seiner Analysekonsole unter Beobachtung hielt. »Durchaus vergleichbar mit der Fähigkeit eines Pianisten, wenn man so will. Bevor man Bänder hatte, gab es Solisten, die mehr als zwanzig Konzerte auswendig kannten, bis zur letzten Note, und sie konnten außerdem eine Stunde lang in vier Tonarten Melodien improvisieren. Dergleichen ist verschwunden, gerade so, wie die Dichter heute nicht länger wie zu Homers Zeiten Werke von was weiß ich wieviel tausend Zeilen vorzutragen pflegen. Aber sonderlich bemerkenswert ist es nicht.«
    Hartz schwieg für einen ausgedehnten Moment. »Wissen Sie was?« meinte er dann. »Man hat mir hier im Tarnover allerhand recht beunruhigende Dinge gezeigt, und noch viel mehr dieser Art hat man mir nur erzählt. Aber ich glaube.« Er mußte sich ernstlich dazu zwingen, das nächste Wort auszusprechen, aber er brachte sein Eingeständnis mit mannhafter Anstrengung zustande. ».nichts hat mich so erschreckt, wie Sie vorhin das sagen zu hören.«
    »Ich weiß

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