Der Schockwellenreiter
sich nicht mehr Reklame als etwa Industriespione; deshalb wäre es höflicher gewesen, ihn zu fragen, ob er SDE sei, >Spezial-Daten-Experte<. Aber zum Glück hatte er sich nicht gekränkt gezeigt. Behutsam deutete sie an, was ihr soviel Sorgen bereitete. Wie lange konnte sie sich beruflich noch aufwärts verändern statt auf horizontaler Qualifikationsebene, wenn sie die Stellung wechselte? Zuerst war seine Reaktion gleichmütig.
»Ach, warum schaltest du dann nicht auf freiberuflich um, so wie ich? Viel anders als der Umstöpsel-Lebensstil ist das auch nicht. Jedenfalls, wenn man sich daran erst mal gewöhnt hat.«
Echos gewisser Vorstellungen hallten ihr durch den Kopf, als sie >freiberuflich< hörte: des allein aufrechten Ritters, der ausritt, um seiner Dame wahre und christliche Gerechtigkeit zu erkämpfen; Reitender Bote des Königs; Geheimagent; Söldner/Abenteurer. »Natürlich, das weiß ich. Aber ehe ich mich entscheide, wüßte ich doch zu gerne, was die IIA meinem Datenpaket hinzugefügt hat.«
»Du könntest ja versuchsweise mich fragen, ob ich's nicht für dich herauszufinden bereit wäre.«
»Du meinst.« - sie wagte kaum darauf zu hoffen -, ». du tätest es mir gegen Honorar machen?«
»Jetzt?« Er nahm ihre linke Brustwarze mit seinen scharfen, sehr gepflegten Zähnen in die Zange. »Nein, fürs Bettenrutschen berechne ich grundsätzlich nie etwas. Das erledige ich honorarfrei.«
»Du weißt, was ich meine!«
Er lachte. »Nicht daß du mir hier in der Horizontalen die Nerven verlierst! Natürlich weiß ich's. Und es könnte mir durchaus Spaß machen, mir mal ein bißchen die IIA anzuschauen.«
»Im Ernst?«
»Vielleicht, sobald mein Urlaub vorüber ist. Aber das ist er noch nicht.«
»Es liegt nicht daran, daß man weiß«, sagte sie um 2 Uhr morgens nachdenklich (ihr Schlafrhythmus geriet durcheinander, aber was zum Teufel sollte das schon?), »die Maschinen wissen über einen selbst Dinge, die man nicht einmal seinem Seelenmasseur anvertrauen würde, erst recht nicht seinem Kind oder dem Chef. Es liegt daran, daß man nicht weiß, was sie wissen.«
»Tja, Zwieback. Mensch, wieviel Leute habe ich schon durch genau diese Form von Verunsicherung durchdrehen sehen, glattweg bis zur Paranoia.«
»Zwieback?«
»Ach, du interessierst dich nicht für Hockey.«
»Dann und wann sehe ich mal zu, aber einen Fan könnte man mich wohl kaum nennen.«
»Mich auch nicht, aber man muß auf dem laufenden bleiben. Kommt eigentlich aus dem Französischen. Kanadische Hockey-Spieler haben das eingeschleppt. Sie rufen sich ein Wort zu, das so ähnlich klingt: >Suidac!< In Wirklichkeit heißt es: >Je suit d'accord!< Ich dachte, es sei bereits allgemein verbreitet.«
»Ach ja«, meinte sie, ehe sie ihre Zunge zu zügeln vermochte. »Ich habe schon mal gehört, wie Kate es zu ihren Bekannten sagte.«
»Wer?«
»Äh. meine Tochter.« Sie zitterte beim Gedanken an die unausbleibliche Fortsetzung der Unterhaltung: Wußte gar nicht, daß du eine Tochter hast. Geht sie zur Schule? - Nein… äh… sie ist an der Uni. Und danach das kurze Schweigen, ausgefüllt von lautlosem Rechnen, dessen Ergebnis ihrem tatsächlichen Standort auf der Leiter der Altersstufen gefährlich nahekommen mußte.
Dieser Mann jedoch, bis ins letzte taktvoll, lachte nur. »Nur keine Sorge. Ich weiß alles über dich. Glaubst du, ich hätte soviel Champagner auf Verdacht ausgespuckt?«
Das paßte zu ihm. Gleich darauf lachte sie ebenfalls. »Würdest du wirklich«, fragte sie, sobald sie wieder ernst war, »nach KC ziehen?«
»Wenn man sich das leisten kann.«
»Die IIA kann sich jeden leisten. Unter was läufst du gewöhnlich?«
»Als Systemrationalisator.«
Sie war erfreut. »Fantastisch! Genau auf diesem Gebiet haben wir kürzlich unseren Abteilungsleiter verloren. Er hat seinen Vertrag gebrochen und ist. Sag mal, du hast doch das nicht etwa auch gewußt, oder?« Plötzlich entwickelte sie Argwohn.
Er schüttelte den Kopf, während er gegen ein Gähnen anfocht. »Ich hatte nie einen Anlaß, mich für die IIA zu interessieren, bis ich dir begegnete.«
»Ja, natürlich nicht, ja. Was hat dich auf diese Art von Arbeit gebracht, Sandy?«
»Ich nehme an, mein Vater war ein Elektronik-Freak und ich hab's von ihm geerbt.«
»Ich möchte eine vernünftige Antwort.«
»Ich weiß es selbst nicht. Kann höchstens sein, ich habe so ein leises Gefühl, daß die Leute sich irren, wenn sie sagen, die Welt wäre für Menschen zu kompliziert
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