Der Schoepfer
und der muffige Geruch von verstaubten Kissen und Polstern und altmodischem Kölnischwasser hing in der Luft.
Das Zimmer wirkte sauber und ordentlich, das Bett war sorgfältig gemacht, es herrschte keine Unordnung, noch nicht einmal überflüssige Dinge oder Ziergegenstände standen herum – außer einer Hirschkuh aus Porzellan mit einem Bambi an jeder Seite und einem Standrahmen mit einem Bild von einer jungen Asiatin, die einen Bonsai in einem Tontopf in der Hand hielt.
Lóa trat ans Fenster, legte die Tüte mit dem Buch auf die Fensterbank neben die Asiatin, schaute in den eingezäunten Garten und auf das ruhige, blaue Meer mit den kleinen, glitzernden Wellen dahinter. Ihr Blick wanderte zurück in den Garten, und plötzlich sah sie die beiden: zwei krumme Gestalten auf einer Bank. Die eine mit so dünnem, feinem Haar, dass die Kopfhaut durchschien, die andere mit matten, trübbraunen, verfilzten Haaren. Die eine in einem hellblauen, zugeknöpften Mantel, die andere in einer schwarzen Daunenjacke mit Fellkapuze. Die eine sehr klein, die andere ungefähr mittelgroß.
Lóa legte beide Hände auf die Brust, um ihr Herz zu beruhigen, das so schnell schlug, als trachte man nach ihrem Leben.
Und dann rannte sie wieder los, die Treppe hinunter, durch den Haupteingang nach draußen und hinters Haus. Durch das angelehnte Gartentor.
Da war sie. Es war Margrét. Blass und verängstigt schaute sie ihre Mutter verlegen an, als sei sie auf frischer Tat ertappt worden. Schaute dann weg. Ihrem verwirrten Blick nach zu urteilen mehr aus Scham denn aus Feindseligkeit.
Lóa griff nach Margréts anorakbekleidetem Arm, um sich davon zu überzeugen, dass sie es tatsächlich war, drückte zu, bis sie sich wand, und schloss sie dann in ihre Arme.
Es fühlte sich an, wie eine Windböe oder eine daunengefüllte Tüte mit hauchzarten Kinderknochen zu umarmen. Es war, wie fast nichts in den Arm zu nehmen, und über Lóas Lippen drang ein dünner Schrei. Sie rechnete damit, dass Margrét sie wegstoßen würde, aber sie fing in ihrem Arm an zu zittern, und Lóa brauchte eine Weile, bis sie merkte, dass das Mädchen heftig weinte. Sie hielt sie lange im Arm, fast schwindelig vor Erleichterung, bis das stockende Weinen von krampfartigem Schluchzen abgelöst wurde.
Die ganze Zeit über schaute Marta lächelnd in die Ferne, als sei dies alles ganz normal. Betrachtete die knospenden Baumkronen und Blumen und das erwachende Gras, als sei dort die echte Dramatik zu finden.
»Sie will heiraten, die arme Kleine«, sagte sie. »Ich leihe ihr natürlich Geld für alles, was sie braucht. Wir müssen einen Saal mieten, Essen und Getränke bestellen und die Einladungskarten drucken lassen, und das Kleid kostet ja auch seinen Teil, wie du dir bestimmt denken kannst. Man kann ja nicht erwarten, dass die jungen Leute das ganz ohne Unterstützung machen.«
Margrét schluchzte noch lauter, und in Sekundenschnelle wurde Lóa klar, dass sie von Marta Geld haben wollte.
Aus irgendeinem Grund wog die Last der Schuld plötzlich nicht mehr so schwer auf ihren Schultern.
»Was ist das für eine Jacke, Schatz?«, fragte sie und merkte, dass sie zu laut sprach. Die Jacke spielte keine Rolle, sie wollte nur Margréts Stimme hören.
»Ich hab sie in der Schule geklaut«, antwortete Margrét. Ihre Stimme vom Weinen dumpf und gepresst.
»Und wo warst du letzte Nacht?«, fragte Lóa, obwohl sie nicht mit einer Antwort rechnete. »Ich habe in Martas Wohnung auf dich gewartet.«
»Bei meinem Freund«, schniefte Margrét in ihre Schulter. »Du kennst ihn nicht.«
»Du willst doch nicht heiraten, oder?«, fragte Lóa mit leiser Stimme.
Margrét schüttelte den Kopf.
XXIII
Freitag
Sveinn saß am Computer in der Werkstatt und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, die in Frage kommenden Bestellungen auszudrucken und den anderen eine höfliche Absage zu erteilen. Er stellte eine steigende Nachfrage nach männlichen Puppen fest und war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte. Sich auf den neuen Markt stürzen und ihn als natürliche Expansion ansehen? Wollte er sich mit nackten Männerpuppen mit erigiertem Penis auseinandersetzen?
Es gab viele Dinge, bei denen er nicht wusste, wie er auf sie reagieren sollte. Wenn er versuchte, sich die Zukunft vorzustellen, sah er nur hautfarbenen Nebel und ständige, eintönige Schufterei. So konnte es nicht weitergehen. Er stand an einem Wendepunkt, ohne es darauf angelegt zu haben. Er bemühte sich nie um Veränderungen
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