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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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Lóa vordrang.
    Die Synthesizerstimme dröhnte in ihrem Kopf: »Wenn ich dir die Knochen abhacke, merkst du, dass du nicht Gott bist. Wenn ich dir die Haut abziehe, bereust du, dass du dein Leben mit Gräueltaten verschwendet hast.«
    Sie drehte die Karte um und sah den Zeitungsausschnitt. Die Todesanzeige von Hans Sigurjónsson aus dem Svarfadardalur.
    »Wer ist dieser Hans?«
    Sveinn zuckte mit den Achseln: »Ein alter Kunde.«

    »Woher weißt du, dass deine Brieffreundin und die feige Anruferin dieselbe Person sind, und woher weißt du, dass es eine Frau ist?«
    »Ich weiß es einfach.«
    »Und was will sie von dir?«
    »Ich glaube, ich soll sterben, damit die Menschheit überleben kann«, antwortete er, nahm einen Lappen vom Spülbeckenrand, wischte den Tisch um die Gläser und Tassen herum vorsichtig ab und spülte den Lappen aus, bevor er ihn ins Spülbecken fallen ließ. »Meistens schweigt sie allerdings nur«, fügte er hinzu und setzte sich schwerfällig Lóa gegenüber an den Tisch.
    Lóa musste an das Gemälde denken, das bei Björg und ihrem Freund zu Hause hing, bevor sich ihre Wege getrennt hatten. Es war ein Bild von einem Mann und einer Frau an einem gedeckten Küchentisch, und unter ihren Füßen stand mit schwarzen Buchstaben: Du magst mich nur, wenn ein Tisch zwischen uns steht.
    Sie aßen und tranken schweigend.
    »Warum gehst du das nächste Mal nicht ran und sagst ihr das, was sie hören will?«, sagte Lóa. »Sprichst im Namen der Welt, nein, des Bösen in der Welt, und bittest um Verzeihung?«
    Er starrte sie an. »Du bist nicht ganz bei Trost. Du weißt nicht, was du da redest.«
    Sie ließ sich nachschenken, aber als das Glas schon ihre Lippen berührte, besann sie sich und kippte den Inhalt in Sveinns Glas, obwohl ihr der Verzicht ins Brustbein stach.
    »Hast du Angst, dass sie das Land verlässt?«, fragte Sveinn.
    »Margrét? Das kann sie nicht. Sie ist minderjährig und hat kein Geld.«
    »Hat sie ihren Ausweis dabei?«
    Lóas Schultern versteiften sich, als ihr klar wurde, dass
Margrét ihren Ausweis dabei hatte. Sie hatte ihn für die Prüfung vorzeigen müssen.
    »Sie wollte immer nach New York«, sagte Lóa.
    Die Vorstellung, dass Margrét schon so weit weg war oder auf dem Weg dorthin, schien ihr wie ein Alptraum aus einem düsteren Volksmärchen.
    »Aber im Radio lief eine Suchmeldung, die wird heute Abend auch im Fernsehen gesendet und steht morgen in der Zeitung.«
    Sveinn nickte langsam.
    Lóa griff nach dem Telefon, stürzte ins Wohnzimmer, wo sie vor ein paar Tagen eingeschlafen war, schloss die Tür hinter sich und rief bei Tómas auf der Polizeiwache an.
    »Margrét hat ihren Ausweis dabei«, sagte sie. »Sie wird doch aufgehalten, wenn sie versucht, das Land zu verlassen, oder?«
    Er schwieg und antwortete dann: »Warum glauben Sie, dass sie das Land verlassen will?«
    »Wir haben keine Ahnung, wo sie ist. Sie könnte durchaus auf dem Weg zum Flughafen sein.«
    »Ich gebe eine Meldung raus«, sagte Tómas, »aber es ist unwahrscheinlich, dass sie so ehrgeizige Pläne hat.«
    »Unwahrscheinlich ist mir nicht genug!« Lóa spürte, wie etwas Rohes aus der Tiefe heraufkroch – lehmige, rissige Nägel, die versuchten, sich an die Oberfläche zu scharren. »Die Hälfte aller Ereignisse ist unwahrscheinlich! Wachen Sie auf, Mann! Trinken Sie einen starken Kaffee oder so. Das Leben ist nicht so vorhersehbar, wie Sie glauben. Bei Ihrem Optimismus hätte meine Tochter schon längst zu Hause sein sollen!«
    »Ich verstehe ja, dass Sie aufgewühlt sind … «, begann er, und Lóa legte schnell auf, bevor sie ihm etwas an den Kopf warf, das sie anschließend bereuen würde.
    Als sie wieder in die Küche kam, wartete Sveinn ganz ruhig
und mit verwundertem Gesicht auf sie, als begreife er gar nicht, dass sich jemand so schnell bewegen konnte wie Lóa und einfach zwischen den Zimmern hin- und herrannte.
    »Du solltest ins Bett gehen. Und nicht so viele Schmerztabletten nehmen. Die vertragen sich auch nicht so gut damit«, sagte Lóa und zeigte auf die Portweinflasche.
    »Musst du gerade sagen, ich habe doch gesehen, was du gestern Abend mit der Cognacflasche gemacht hast«, sagte er und wirkte im selben Moment wie vor den Kopf geschlagen, so als fürchte er, schon wieder zu weit gegangen zu sein.
    Er war fast schön, als er versuchte, die Wirkung seiner Worte durch ein Lächeln abzumildern.

XXI
Donnerstag
    Bevor sich Lóa verabschiedete, konnte Sveinn sie dazu bewegen, ihm zu helfen,

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