Der schottische Seelengefährte (German Edition)
ab, trank den Rest des mittlerweile kalten Tees aus und stieg wieder in ihren Mietwagen. Da sie kein eigenes Auto besaß, hatte sie sich für die Reise ein kleines Auto gemietet, das sie bisher sehr sicher und zuverlässig begleitet hatte. Den kurzen Weg zur Arbeit in Durham hatte sie lieber mit dem Fahrrad zurückgelegt und war auch sonst lieber mit ihrem Drahtesel oder zu Fuß unterwegs.
Noch schnell ein letztes Stück Schokolade zur Stärkung in den Mund gesteckt, und weiter ging es die einsame kurvige Straße entlang. Als bekennende Schokoholikerin hatte sie immer einen ausreichenden Vorrat ihrer Lieblingsschokolade bei sich. Sie konnte wer weiß was vergessen, aber nicht ihr Grundnahrungsmittel!
Die graue Wolkenwand der letzten Tage hatte sich etwas aufgehellt und laut ihrer Gastwirtin würde das Wetter sich nun schnell bessern und wärmer werden. Genau zum richtigen Zeitpunkt ging es Mary hoffnungsvoll durch den Kopf. Denn morgen war Beltane, das alte Fest der Kelten zum Sommeranfang. Wenn sie es richtig ausgerechnet hatte, dann sollte sie heute auch endlich ihr Ziel erreichen. Und gemäß des Wunsches ihrer Mutter genau zur richtigen Zeit.
In den nächsten zwei Stunden fuhr sie weiter nördlich auf einer einspurigen einfachen Asphaltstraße, die sich mal um die Hügel herum und mal über den Hügelkamm wand. Während der ganzen Zeit begegnete ihr keine Menschenseele und Mary schob den Gedanken an eine Panne oder Ähnliches in ihren hintersten Gehirnwinkel. An einem kleinen See hielt sie kurz an, weil das ruhige, silbrig glänzende Wasser, in dem sich die grau-braunen Hügelkuppen der Berge spiegelten, atemberaubend schön aussah. Tatsächlich blinzelte vereinzelt ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und verlieh dem Anblick etwas Mystisches. Was für eine traumhafte Landschaft! Doch auch irgendwie melancholisch, dachte Mary, denn weit und breit waren nirgends Menschen oder deren Behausungen zu sehen. Wie traurig das Ergebnis der Clearances aus dem 18. und 19. Jahrhundert auch heute noch war, als die Lairds damals ihre eigenen Leute erbarmungslos von ihrem Land vertrieben hatten. Der Wechsel der Position des Lairds, vom sorgenden Vater für seine Familie zu einem skrupellosen Adeligen, der seine Ländereien ausschließlich als finanzielle Basis betrachtete, die ihm ein aristokratisches Leben ermöglichen sollte, machte viele fassungslos und heimatlos.
Gier hatte noch nie zu etwas Gutem geführt, sinnierte Mary und fuhr langsam weiter.
Am frühen Nachmittag erreichte Mary dann endlich das Dorf, in dem sie in einem Gasthaus ein Zimmer für eine Woche vorbestellt hatte. Mary war sofort begeistert, als sie das alte, etwas windschiefe Haus erblickte. Das mit Reed gedeckte Dach schmiegte sich direkt an eine Felswand und sah aus, als wollte es unter dem Felsen Schutz suchen. Kleine Sprossenfenster mit Fensterläden und eine alte dicke Holztür vermittelten den Eindruck, als wäre dies das Haus, in dem die Großmutter auf Rotkäppchen warten würde. Das direkt vor der Haustür die neuzeitliche Straße verlief, war diesem märchenhaften Eindruck in keinster Weise abträglich. Schnell griff sie ihren Koffer und ihre Tasche und eilte neugierig zum Haus. Als sie näher kam, waren von drinnen schon laute Stimmen und fröhliches Lachen zu hören. Kaum hatte sie an die Türe geklopft, wurde sie auch schon geöffnet. Eine junge Frau etwa in ihrem Alter und unübersehbar hochschwanger lächelte ihr freundlich entgegen.
„Guten Tag und herzlich Willkommen im Rudha-na-Craige. Ich bin Susan Spicer und Sie müssen Mary Mills sein, wir haben Sie schon erwartet. Kommen Sie, ich zeige Ihnen erst einmal Ihr Zimmer und dann können Sie sich bei einer netten Tasse Tee am Kamin aufwärmen.“
Während Mary Susan in die erste Etage über eine schmale Holztreppe folgte, war sie wieder einmal begeistert von der außergewöhnlichen Gastfreundschaft, die ihr hier entgegengebracht wurde. Egal, wo sie bisher genächtigt hatte, die Freundlichkeit der Gastgeber ließ sie sich stets sehr willkommen fühlen. Da kann sich so manch einer eine Scheibe von abschneiden hatte sie oft bewundernd gedacht.
„So, hier sind wir. Hier ist Ihr Zimmer und das Bad liegt gegenüber. Ich hoffe, es gefällt Ihnen und Sie haben alles, was Sie brauchen. Wenn nicht, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich erwarte Sie dann in ein paar Minuten unten im Kaminzimmer.“
Etwas außer Atem wegen Ihres Leibesumfangs öffnete Susan eine Tür und ging nach einem letzten
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