Der schottische Verfuehrer
Rollen einzunehmen.
In Duncan wallten die Gefühle für Isabel hoch und überwältigten ihn. Er nahm ihre rechte Hand, um sie sich an die Stirn zu pressen, auf der Suche nach den richtigen Worten, die seine Empfindungen beschrieben.
„Heute Nacht“, begann er, dann senkte er den Blick.
Er rang um jedes seiner Worte. Isabel sah, wie bleich er geworden war, und wurde unruhig. Fühlte er sich etwa schuldig, weil er ihr die Unschuld genommen hatte?
„Es tut mir so leid“, flüsterte sie, „ich wollte dich nie anlügen.“
Duncan hob den Kopf. Mit einem Blick aus seinen grünen Augen suchte er ihren Blick. „Dir muss nichts leidtun. Wir sind beide nur Figuren in einem Spiel.“
Seine Sorgenfalten glätteten sich, und sein Blick war so innig, so zärtlich, dass sie sich an ihn schmiegen wollte, damit er sie für immer hielt. Bis zum Morgengrauen hatten sie noch Zeit. Und was bis dahin geschah, davon musste sie bis an ihr Lebensende zehren.
Isabel zog Duncans Hand auf ihre Brust. Seine Finger legten sich zitternd auf ihre zarte Haut. „Komm zu mir. Ganz.“ In seinem Gesicht blitzte Verzweiflung auf, eine Verzweiflung, die sie zuvor nie bei ihm gesehen hatte. Ihr lief es kalt den Rücken herunter. „Was hast du?“
„Ich brauche dich so viel mehr, als ich es je für möglich gehalten hätte.“
Sein aufrichtiges Geständnis hätte sie beruhigen sollen, vor allem, wenn sie daran dachte, wie wütend er noch vor wenigen Stunden gewesen war. Doch sie spürte, etwas stimmte nicht. Was war in der Zwischenzeit geschehen? Oder sah sie jetzt schon Probleme, wo gar keine waren? Bis sie aufbrachen, blieben ihnen nur noch wenige Stunden, Stunden, die Isabel nicht mit Zweifeln verschwenden wollte.
Duncan stöhnte leise, als er sie an sich zog. Sein Kuss verriet sein Verlangen, doch etwas anderes mischte sich hinein. Verzweiflung? Isabel verdrängte ihre Befürchtungen und gab sich seinen fordernden Lippen hin. Sie genoss jede seiner Berührungen. Sie liebte ihn, brauchte ihn, wollte ihm immer so nah sein. In ein paar Stunden würden sie bei Lord Monceaux ankommen und ihm die Bibel überreichen, um ihren Vater zu befreien.
Und danach, so schmerzhaft es war, würde sie zu Frasyer zurückkehren.
Daher überließ sie sich ganz den sinnlichen Empfindungen, die Duncans Umarmungen ihr bescherten. Sanft fuhr er mit den Fingern über ihre Rundungen. Seine Zunge schien mit ihr zu spielen und diente doch nur ihrem Genuss. Duncans erfahrene Hände führten sie zum Höhepunkt. Aber damit gab er sich nicht zufrieden, und bald schon hatte er sie erneut so weit: Sie verlor jede Kontrolle über ihre Gefühle und schrie in reiner Hingabe an seine Hände von Neuem ihre Lust hinaus. Erst als die Flammen im Kamin fast erloschen waren, drang Duncan in sie ein, auf der Suche nach der eigenen Erlösung.
Danach rollte er sich zur Seite und zog sie in die Arme. Sie spürte das gleichmäßige Klopfen seines Herzens, und das Geräusch seines ruhigen Atems wiegte sie sanft. Für immer wollte sie so neben ihm liegen, denn nie hatte sie sich vorstellen können, derart glücklich zu sein. Befriedigt und erfüllt von einer seligen Ruhe überließ sie sich dem Schlaf.
Ein Windstoß schlug gegen die Bauernhütte. Isabel erschrak. Sie blinzelte, um den Schlaf aus den Augen zu vertreiben, und drehte sich zu Duncan. Doch wo er eben noch gelegen hatte, war nur ein kalter leerer Platz.
Sie setzte sich auf. Er saß vor dem Feuer. Sie hatte schon eine neckende Bemerkung auf den Lippen, da sah sie seine sorgenvolle Miene. Warum hielt er die Bibel in den Händen? „Duncan?“
Er wandte sich zu ihr um. Der angespannte Ausdruck auf seinem Gesicht wurde freundlicher. „Du bist wach.“
Sie schluckte schwer, denn ihr entging nicht, dass ihn etwas bedrückte. „Ich bin vom Wind aufgewacht.“
„Ja, er wird wieder stärker.“
Wieder? Hatte er denn nicht auch geschlafen? „Was machst du mit der Bibel?“
Duncan presste die Lippen zusammen und zuckte die Schultern. „Nichts.“ Er stopfte das Buch in den Lederbeutel, als habe es tatsächlich nichts zu bedeuten. Aber Isabel sah, wie sich seine Knöchel weiß färbten, wie sich seine Hände verkrampften.
Sie spürte, wie die Angst sie erfasste. „Du hast etwas in der Bibel gefunden.“ Sie musste es ihn nicht fragen, dazu war es zu eindeutig.
Er schwieg.
„Duncan?“
Er kam auf die Füße, seine Miene war undurchdringlich. „Die Sonne geht auf. Wir müssen nach Rothfield Castle aufbrechen.“
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