Der schottische Verfuehrer
etwas?
Isabel sah dorthin, wohin er zu zeigen schien. Meinte er die Bibel? Warum? Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Es gab nur einen Menschen, der wusste, welche Bedeutung die Bibel für sie und ihr Schicksal hatte. Duncan.
Duncan?
Sie verspürte eine Hoffnung, die kaum zu ertragen war. Sollte Duncan etwa wie durch ein Wunder überlebt haben?
„Isabel?“
Frasyers brutaler Tonfall schreckte sie auf. Sie versuchte, sich wieder zu fassen, und drehte sich zu ihm. Als sie sah, wie misstrauisch er sie musterte, bekam sie eine Gänsehaut.
„Etwas scheint dich zu beschäftigen“, sagte er mit schleppender Stimme.
Sie kämpfte gegen ihre Aufregung, die sie verraten könnte.
„Sei nicht so töricht und denk erst gar nicht daran, von hier zu fliehen.“
„Als ob ich überhaupt eine Chance hätte gegen Euch und fünf Eurer Ritter.“
Frasyer brummte, doch er schien nicht wirklich überzeugt zu sein, ob sie es nicht doch wagen würde. Er beobachtete sie noch einen Augenblick, dann wandte er sich ab.
Isabel atmete vorsichtig aus. Die Anspannung war unerträglich. Ob es tatsächlich Duncan war? Wie konnte das sein? Sie hatte ihn doch gesehen, gefangen in den Flammen.
Bitte Gott, lass Duncan leben!
„Braucht Ihr uns hier, Mylord?“, fragte einer der Wächter Frasyer.
Er schüttelte den Kopf. „Geht und löst die Männer draußen ab.“
Sie musste die Wachen aufhalten. Irgendwie. Wenn es Duncan da draußen war, dann musste sie alles tun, damit man ihn nicht fasste.
„Wartet!“
Verärgert kniff Frasyer die Augen zusammen und stand auf. „Sei still.“
„Warum? Was habe ich denn noch von Euch zu befürchten?“, fragte sie höhnisch. Sie musste Zeit gewinnen.
Die Adern auf Frasyers Stirn traten hervor. Schwarz und unheilvoll. „Raus!“ Während die Ritter hinausgingen, näherte sich Frasyer Isabel, langsam und drohend. Er hob die Hand. „Ich habe dich gewarnt, mich nicht zu reizen.“
21. Kapitel
Rasende Wut ergriff Duncan, als er durch das Fenster sah, wie Frasyer drohend auf Isabel zuging. Nur mit äußerster Mühe widerstand er dem Drang, in die Hütte zu stürmen, um Frasyer auf der Stelle seinem verdienten Ende zuzuführen. Er hörte die Tür aufgehen und schaute kurz zu den beiden heraustretenden Rittern, doch lange konnte er seinen Blick von Frasyer und Isabel nicht lösen.
Die Tür fiel mit einem dumpfen Schlag hinter den zwei Männern zu, ohne dass sie in Duncans Richtung sahen.
Frasyer war nur noch einen Schritt von Isabel entfernt. Sie wich zurück. Duncan flehte im Stillen, Seathan möge endlich das Signal zum Angriff geben, und zog sein Schwert. Isabels Miene verriet ihre Angst, und sie riss die Arme vors Gesicht. Als Duncan die Spuren sah, die Frasyers Schläge bei ihr hinterlassen hatten, wurde er noch aufgebrachter. Der Teufel sollte ihn holen! Er konnte nicht hier stehen bleiben und zusehen, wie sie geschlagen wurde. Entschlossen eilte er um die Ecke zum Eingang.
Nur wenige Schritte entfernt stand eine Wache. „Halt, wer da?“ Der Mann kam auf Duncan zu, der sofort sein Schwert erhob. Nichts würde ihn davon abhalten, Isabel zu Hilfe zu eilen.
Stahl blitzte auf, als sein Gegner sein Schwert zog. Er schaute ungläubig, als er Duncan erkannte, doch wich der zweifelnde Ausdruck sofort seinem Zorn. „Dieses Mal werdet Ihr sterben!“ Duncan behielt den Gegner im Auge, während er sich zur Tür vorschob. „Nein, nicht ich werde sterben. Ihr werdet sterben, Ihr alle, die Ihr Euch entschieden habt, einem Mann zu dienen, der vom Teufel besessen ist.“
Der Ruf eines Käuzchens ertönte, das Signal seines Bruders, auf das er so lange gewartet hatte, und gleich im Anschluss erschallte Kriegsgeschrei in der Nacht.
Im spärlichen Fackellicht waren die Männer, die wie eine wütende Lawine den Abhang herabstürmten, nur undeutlich zu sehen.
Der Wächter fuhr zum Hang herum und verschaffte damit Duncan den Vorteil, auf den er gewartet hatte. Er sprang nach vorne und versetzte dem Mann einen tiefen Stich mit dem Schwert. Ein erstickter Schrei drang aus dem Mund des Feindes, doch währte der Todeskampf nicht lange, einige Male zuckte er noch auf, ehe er zu Boden fiel.
Duncan war gerade über den Toten hinweggeschritten, da näherte sich schon der nächste Ritter mit gezücktem Schwert. Er hob sein Schwert zur Abwehr, mit einem lauten Klirren trafen die Klingen aufeinander. Duncan biss die Zähne zusammen und drängte den Angreifer zurück, ohne auf den Kampflärm rundherum zu achten.
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