Der schottische Verfuehrer
brummte er nur.
„Ohne mich würdest du gar nicht gehen können“, erwiderte sie wütend und setzte sich wieder in Bewegung.
Endlich ging es nicht mehr weiter hinab. Beide bekamen kaum noch Luft, und Isabels Muskeln schmerzten von der Anstrengung, Duncan mit seinem Gewicht zu stützen. Das Blut pochte in ihrem Kopf, während sie sich zu entsinnen versuchte, auf welchem Stockwerk sie waren.
„Was ist los?“
Duncans brüchige Stimme verstärkte noch einmal ihre Angst vor dem, was auf der Flucht alles geschehen konnte. „Nichts.“ Isabel betete, dass sie der Weg, auf dem sie sich befanden, nach draußen führte.
Heißes Wachs tropfte ihr auf die linke Hand, und sie zuckte zusammen. Die Kerze flackerte, dann brannte sie wieder gleichmäßig. Sie ermahnte sich, besser aufzupassen. Keinesfalls durfte die Kerze verlöschen, ehe sie am Ausgang des Geheimgangs waren, bestand doch die Gefahr, sich zu verlaufen.
„Wir müssen weiter“, drängte Duncan. Sie machte einen Schritt, aber statt auf festem Grund landete ihr Fuß in einer Erdspalte. Mit einem Aufschrei verlor sie das Gleichgewicht und fiel nach vorne, dabei zog sie Duncan mit sich. Sie prallte auf den Boden und ließ vor Schreck die Kerze los.
Fluchend landete Duncan neben ihr.
„Nein!“ Sie griff nach der rollenden Kerze und bekam sie auch zu fassen. Die Flamme erstarb jedoch, nachdem sie noch einmal kurz aufflackerte. Dunkelheit breitete sich im Gang aus, erfüllt vom kräftigen Geruch des Kerzenrauchs.
Isabel schienen die Geräusche um sie herum plötzlich sehr viel mächtiger, ohne dass sie etwas Bedrohliches hatten. Das ferne Tropfen von Wasser. Ihr Atem. Duncans Herz, nur wenige Handbreit von ihrem eigenen entfernt.
Stöhnend setzte sie sich auf. Ein Schmerz fuhr ihr ins rechte Knie, und sie umfasste ihr Bein, um es prüfend vor- und zurückzubeugen.
„Ist dir etwas passiert?“ Duncans Stimme erklang in der Dunkelheit.
„Alles in Ordnung.“ Gott sei Dank war ihr Bein nicht gebrochen.
Sie mussten den richtigen Tunnel finden, den, der nach draußen führte. Keine leichte Aufgabe, denn während sie hinabgestiegen waren, hatte sie erstaunt die Unmenge an Tunnel wahrgenommen, die zu den verschiedenen Teilen der Burg abgingen. Von einem solch verschachtelten Netz von Geheimgängen in Frasyers Burg hatte sie nichts geahnt.
Als sie eine Hand auf Duncans glühende Stirn legte, spürte sie, wie ihm der Schweiß herabrann.
Mürrisch wehrte er ihre Hand ab.
„Kannst du aufstehen?“, fragte sie.
„Aye. “
Seine schwache Stimme überzeugte sie nicht wirklich. Ohne ihn zu fragen, griff sie seinen Arm und half ihm, sich aufzusetzen. „Wir müssen die Kerze erneut entzünden.“
Duncans Gewand scheuerte an der Wand, als er sich gegen den kalten Stein lehnte. „Hast du den Feuerstein?“
„ Ich ... ich dachte nicht, dass wir den noch brauchen würden.“
Er seufzte. „Egal, jetzt ist es zu spät, sich deswegen Vorwürfe zu machen. Dann müssen wir den Ausgang eben im Dunkeln finden.“
Isabel achtete nicht auf den stechenden Schmerz, der ihr rechtes Bein durchfuhr, und stand auf. Sie stützte sich an der Mauer ab, bevor sie sich zu Duncan herabbeugte, um ihm zu helfen. Mitten in der Bewegung hielt sie inne.
Wie ein Feenhügel, einer jener Hügel, auf denen man sich alles nur Erdenkbare wünschen kann, leuchtete ein Lichtstrahl in der Dunkelheit. „Duncan, schau dort vorne.“
„Eine Öffnung.“
„Aber wohin führt sie?“, fragte Isabel. „Zum Hof? Oder zu einem Ausgang hinter dem Torhaus?“
„Wohin auch immer sie führt“, meinte er mit kratziger Stimme, „es wird dort angenehmer sein, als hier in der Dunkelheit zu verrotten.“
Vielleicht, aber hier waren sie sicher, zumindest vorübergehend. Halb ziehend, halb drückend half Isabel Duncan auf. Kurz fürchtete sie, sein Gewicht zwänge sie in die Knie.
„Ganz langsam.“ Spitze Steine drückten sich durch die Sohlen ihrer Schuhe, während sie weitergingen. Unweit des Ausgangs stolperte er. „Nein!“ Sie fing ihn auf. Das war noch einmal gut gegangen.
„Alles in Ordnung“, presste er durch die Zähne.
Das war es ganz sicher nicht. Wenn er sich nicht bald ausruhte, brach er vor Anstrengung ohnmächtig zusammen, wenn ihn nicht vorher das Fieber erledigte. „Wir machen eine kurze Pause.“
„Dafür haben wir keine Zeit.“
Isabel biss sich auf die Lippe, ihr war ein Gedanke gekommen. Duncans Bruder Seathan, der Earl of Gray, lebte nur einen Tag von Frasyers Burg
Weitere Kostenlose Bücher