Der schottische Verfuehrer
überwältigt. Noch ehe er sich versah, war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
Der Schweiß lief ihm das Gesicht herunter, sein gesamter Körper brannte, als habe er sich in ein Bett aus Brennnesseln gelegt. Erschöpft lehnte er sich gegen den Stein und besah seine Wunde. Sie war feuerrot und entzündete sich vermutlich, wenn er sich nicht bald darum kümmerte. Verdammt!
In einiger Entfernung knackte ein Zweig.
Er spähte durch gelblich-braune Grasbüschel, durchsetzt von einzelnen Disteln, und sah Isabel, die ein ganzes Stück von ihm entfernt stand. Der Zopf, der ihre bernsteinfarbenen Locken sonst zusammenhielt, hatte sich gelöst. Eine Böe erfasste die Haare, und sie flatterten um ihr Gesicht, das jetzt wie das einer aufsässigen Elfe aussah.
„Nein!“ Sein Schrei, als sie sich den Reitern entgegenstellte, ging unter im ohrenbetäubenden Donnern der Hufe. Fluchend kämpfte er sich auf die Beine, da schwenkten die Reiter wie von Geisterhand in Richtung des verborgenen Ausgangs.
Erleichtert drehte sich Isabel zu Duncan. Und erstarrte. Entsetzen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Was denkst du dir, dich so offen zu zeigen?“
„Ich lenke sie nur von dir ab“, grummelte er. Keinesfalls durfte sie wissen, wie sein Herz aufgeschrien hatte, als er fürchtete, sie erneut zu verlieren. Er war ein Dummkopf, sich überhaupt um sie zu kümmern, aber wie es schien, konnte er einfach nicht anders.
Sie winkte ihm zu. „Runter.“ Als er, wenn auch nur schwankend, stehen blieb, stürzte sie zu ihm und riss ihn mit sich zu Boden. „Willst du unbedingt entdeckt werden?“
Er schaute sie finster an. „Nein, aber das war doch dein Plan.“
„Zur Hölle. Alles, was ich wollte, war, dein Versteck zu schützen.“
„Behauptest du.“ Er beobachtete die Ritter, die vor dem Gang hielten, aus dem Isabel und er vor einiger Zeit herausgekommen waren. Einer von ihnen, offensichtlich ihr Anführer, rief einen anderen Mann zu sich und sprach mit ihm. Dieser stieg darauf ab und bezog Posten vor dem Ausgang.
Die anderen Männer trieb der erste Ritter dazu an weiterzureiten, und ihre Pferde fielen in einen leichten Galopp. Trockenes Gras flog unter den Hufen in die Höhe. Nur wenig später waren sie schon nicht mehr zu sehen.
Duncan schaute zu dem Wächter hinüber. Wie viel von der Umgebung mochte er von seinem Standpunkt aus im Blick haben? Oder konzentrierte er sich nur auf den Ausgang?
Nicht weit entfernt im Westen donnerte es, und unheilverkündende Schneewolken zogen rasch in ihre Richtung.
„Der Wächter geht in den Gang“, sagte Isabel.
„Um nicht nass zu werden.“ Etwas, das sie sich leider nicht leisten konnten. Duncan ließ sein Schwert in die Scheide gleiten, dann streckte er die Hand aus. „Gib mir den Dolch!“
Isabel folgte seiner Aufforderung.
Er konnte seinen Blick nicht von der Waffe lösen. Ihm wurde schwummerig, ungebetene Erinnerungen wirbelten ihm im Kopf herum, Erinnerungen an jenen Tag, als sein Vater ihm zur Feier des Ritterschlags genau diesen Dolch geschenkt hatte, während seine Großmutter ihm die Hälfte eines Saphirs überreichte. Er trug sie noch immer am Hals. Die andere Hälfte lag in einer Schale in dem früheren Gemach der Großmutter auf Lochshire Castle, Seathans Burg. Die Brüder waren überzeugt, dass nach ihrem Tod in ihrem Gemach Zauberkräfte wirkten.
Duncan runzelte die Stirn. Er glaubte an Magie und an Kräfte, die der Erde innewohnten, dennoch zweifelte er an der Macht des Edelsteins. Wahrsagerische Kräfte wurden ihm zugesprochen, er sollte Weisheit verleihen und die Fähigkeit, sich nicht täuschen zu lassen - und trotzdem war Isabels Betrug für ihn wie aus heiterem Himmel gekommen.
Genau in diesem Moment fühlte er, wie der Stein an seiner Brust warm zu pulsieren begann. Duncan rieb sich übers Gesicht. Das Fieber hatte ihn endgültig fest im Griff, dabei hatte er keine Zeit, an die Vergangenheit zu denken, an Magie oder an Isabels Verrat. Er schnappte sich das Messer.
„Duncan?“
Isabels besorgte Stimme riss ihn aus seinen fiebrigen Gedanken.
Sie musterte ihn aus ihren klaren Augen. „Zeig mir deinen Arm.“
„Erst müssen wir einen Unterschlupf finden.“
„Unweit von hier ist eine Höhle.“
Er nickte. Warum sollte er sich noch länger sperren? Er zweifelte daran, während der Flucht überhaupt noch mitzubekommen, was Isabel mit ihm anstellte. Oder sich später daran erinnern zu können.
Sie stellte sich neben ihn, bereit, ihn auch
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