Der schottische Verfuehrer
zu glauben, in welcher Gefahr Duncan schwebte.
Dennoch beunruhigte sie Seathans Interesse stärker als Alexanders Wut. Wenn seine Neugier erst einmal geweckt war, würde er die Wahrheit herausfinden, egal wie lange es dauerte oder welche Mühe es ihn kostete.
Eine Wahrheit, die sie ihm unter keinen Umständen verraten konnte.
Seathan rieb mit dem Daumen über das Heft seines Schwerts. „Es scheint mir merkwürdig, dass Ihr drei Jahre, nachdem Ihr Duncan verlassen habt, hier an meiner Tür auftaucht und mich bittet, Euch dabei zu helfen, sein Leben zu retten.“
Sie schlang die Arme um sich und suchte nach überzeugenden Gründen. „Wie ich Euch bereits gesagt habe, wurde er verwundet, als er mir zur Flucht aus dem Verlies verhalf.“
„Ein Märchen, das ich nach unserer Rückkehr genauestens untersuchen werde, so viel versichere ich Euch.“ Ein Pferd wieherte, und Seathan machte sich bereit. „Wenn wir mehr Zeit hätten, würdet Ihr auf der Stelle Eure wahren Gründe darlegen müssen, warum Ihr Duncan retten wollt.“ Er nickte einem Ritter zu. Der rothaarige Mann kam heran. „Mylord?“
„Sorgt dafür, dass Lady Adair etwas zu essen erhält und man ihr ein Zimmer in der Burg zuweist. “ Er machte eine Pause. „Und dass ihr niemand gestattet, vor meiner Rückkehr Lochshire Castle zu verlassen.“
Der Ritter nickte und griff nach Isabels Arm, während Seathan sich abwandte.
Als sie sich loszureißen versuchte, bohrte der Wächter die Finger fest in ihren Arm. Sie rief Seathan hinterher: „Ihr müsst mich mitnehmen.“
Er hielt inne und blickte sie finster an. „Dazu besteht keine Veranlassung. Ich kenne mich dort sehr gut aus.“
Er durfte sie nicht hier zurücklassen, denn sie konnte nicht die Ungewissheit ertragen, ob Duncan noch lebte. „In den Anhöhen nördlich von Moncreiffe Castle gibt es zahlreiche Höhlen. Bei dem Schneefall sind sie selbst für jemanden, der sich dort auskennt, nur schwer zu finden. Und wenn Ihr Duncan nicht schnellstmöglich findet...“ Sie nahm sich zusammen. „Ich habe auf meinem Weg hierher bereits viel zu viele Stunden verloren. Ich bitte Euch, um Duncan zu retten, dürfen wir nicht noch weitere verlieren.“
Noch immer traute der Earl ihr nicht. Aus zusammengekniffenen Augen sah er sie an. „Um Duncan zu retten“, stimmte er schließlich zu. „Sollte es sich aber um eine Falle handeln, dann wird es die letzte sein, die Ihr jemandem stellt. Da stimme ich vollkommen mit Alexander überein.“ Er wies die Wache an: „Bringt ihr einen trockenen Umhang und etwas warmes Fleisch mit Brot sowie Käse.“
„Ja, Mylord.“
Die Wache entfernte sich und Seathan winkte Isabel zu sich. Sie befürchtete, er könnte vielleicht seine Meinung ändern, und beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. Gemeinsam gingen sie zu den Ställen. Sie musste sich hinwegsetzen über die Erschöpfung und die Kälte, die sie am ganzen Leib lähmten.
„Wenn wir zurück sind, Duncan versorgt haben und Ihr Euch ausgeruht habt“, erklärte Seathan, als sie neben ihm ging, „werdet Ihr mir ausführlich berichten, warum Frasyer Euch ins Verlies gesperrt hat.“
Sie antwortete ihm nicht, jedoch wurde ihr klar, dass sie ihn unbedingt davon abhalten musste, weiter nachzuforschen. Etwas, das ihr kaum gelingen dürfte, wenn sie auf Lochshire Castle blieb.
Sobald Duncan auf der Burg war und sie sicher sein konnte, ob er sich erholte, würde sie sich heimlich davonmachen und auf Moncreiffe Castle weiter nach der Bibel ihrer Mutter suchen.
Alleine.
Das regelmäßige Läuten der Glocke hallte in Duncans Kopf wider wie der dröhnende Bolzen eines Belagerungsgeräts.
Auf einem Ecktisch flackerte eine halb abgebrannte Kerze. Unscharf sah er an der gegenüberliegenden Wand eine prunkvolle Tapisserie und kniff die Augen zusammen. Das Pochen in seinem Kopf verstärkte sich. Mutlos versuchte er, sich aufzusetzen, dabei durchzuckten die Schmerzen seinen linken Arm.
Der Arm.
Vor seinem inneren Auge wurde der Kampf mit den Rittern auf Moncreiffe Castle wieder lebendig sowie die unendlichen nächtlichen Stunden, die Isabel und er unter Frasyers Bett ausgeharrt hatten. Außerdem erinnerte er sich daran, mit Isabels Unterstützung und seiner unbändigen Willenskraft zu einer Höhle entkommen zu sein.
Danach war alles weg.
Er musste ohnmächtig gewesen sein. Was war mit Isabel? War Frasyer ihnen auf die Spur gekommen? Oder hatte sie ihn von Anfang an getäuscht und nur gewartet, bis er bewusstlos geworden
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