Der schottische Verfuehrer
Tränen hingegeben. Seit sie mit Duncan aus dem Verlies geflohen war, hatte sie sich nicht mehr ausgeruht und weder etwas gegessen noch etwas getrunken. Ihre Muskeln schmerzten von den Anstrengungen des beschwerlichen Wegs, die Kälte war in jede Pore ihres Körpers gedrungen und die Sorge um Duncan lastete auf all ihren Gedanken.
Isabel schaute von einem Bruder zum anderen und verdammte beide. „Leiht mir ein Pferd. Ich werde Duncan alleine herbringen.“
„Aye“, erwiderte Alexander sarkastisch, „damit Ihr das Pferd ebenso stehlen könnt wie Duncans Anhänger?“
„Wie ich Euch gesagt habe, habe ich nicht...“
„Ist Duncan tot?“, fragte Seathan.
Ihr Herz zog sich zusammen, als sie an Duncans Opfer dachte, das er ihr gebracht hatte - und an sein Versprechen gegenüber Symon. „Nein, er lebt.“
Zumindest hatte er noch gelebt, als sie ihn verlassen hatte. Nein, solch düstere Gedanken durfte sie nicht zulassen. Sie hatte ihren Bruder verloren, und sie wusste nicht, ob ihr Vater noch lebte. Aber selbst wenn er noch lebte, war es äußerst unwahrscheinlich, dass sie die Bibel rechtzeitig fand, um ihn zu retten. Trotz aller Schicksalsschläge würde sie allerdings niemals Duncan im Stich lassen.
Sie wollte etwas sagen, aber ein Schleier schob sich vor ihre Augen. Isabel stemmte sich gegen die kalte Mauer und sammelte ihre Kräfte. Die Hände zu Fäusten geballt baute sie sich vor den eindrucksvollen Kriegern auf, entschlossen zu einer letzten Auseinandersetzung.
„Versteht Ihr nicht? Wenn Ihr mir nicht helft, Duncan nach Hause zu holen, wird er sterben.“
Alexander verschränkte die Arme vor der Brust, Seathan hob nur skeptisch eine Braue.
Tränen liefen Isabel die Wange herab, als sie versuchte, sich an den beiden Kriegern vorbeizudrängen. „Zum Hades mit Euch! Ich werde schon ein Pferd auftreiben und ihn alleine zu Euch transportieren.“
Seathan hielt sie mit hartem Griff an der Schulter fest. „Duncan würde sich nur in einer völlig aussichtslosen Situation von seinem Anhänger trennen. Oder“, fuhr er mit ernster Stimme fort, „er ist, wie Alexander schon gemeint hat, in Frasyers Händen und Ihr seid Teil eines hinterhältigen Plans, auch uns gefangen zu nehmen.“
Isabel befreite sich aus Seathans Griff. „Niemals würde ich lügen, wenn es um so etwas Kostbares wie Duncans Leben geht. Nicht einmal für Frasyer. Verachtet mich ruhig, das ist mir egal. Aber jeder Moment, den wir länger hierbleiben, fehlt uns, um Euren Bruder zu retten.“
Alexander fauchte: „Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr uns mit dieser jämmerlichen Geschichte ...“
Seathan hob die Hand und brachte so seinen Bruder zum Schweigen, ohne dass er seinen durchdringenden Blick von Isabel abwandte.
Zornesröte stieg in Alexanders Gesicht. „Du glaubst doch nicht etwa Frasyers Hure?“
Es traf sie wie ein Schlag. Hure. Natürlich, das war seine Meinung von ihr. Die von allen. Aber gerade war es ihr vollkommen unwichtig, was sie von ihr dachten.
Seathans Blick war bohrend, als ob er ihr bis in die Seele schauen könnte. Schließlich nickte er und sagte zu Alexander: „Sorg dafür, dass unsere Pferde so schnell wie möglich gesattelt werden.“
„Bei meinem Schwert“, schäumte Alexander. „Sie taucht hier auf in Kleidern, die nicht mehr sind als Fetzen, und erzählt eine Geschichte, so unglaubwürdig, dass sie nur von Frasyer stammen kann. Und du glaubst ihr?“
„Geh!“, entgegnete Seathan kurz angebunden. Es war keine höfliche Bitte, die er da an seinen Bruder richtete.
Alexanders muskulöser Körper wurde steif. „Seid versichert“, sagte er, und unter seinem Blick fühlte sich Isabel wie in einem Schraubstock, „dass wir jedes Anzeichen einer Verschwörung von Frasyer entdecken. Möge Gott Euch helfen, wenn Ihr uns anlügt, denn dann werde ich Eurem betrügerischen Leben mit meinen eigenen Händen ein Ende setzen.“ Er stapfte in Richtung der Ställe, begleitet vom Knirschen des Schnees unter seinen Stiefeln.
Seathan ließ sie nicht für den kleinsten Moment aus den Augen. Sein Blick glich dem eines Falken, der seine Beute fixiert.
„Ich danke Euch“, sagte Isabel mit wackeliger Stimme.
Überraschung flackerte in seinen Augen auf und wurde abgelöst von Verständnis. Sie spürte ein merkwürdiges Kribbeln und fragte sich, ob der Earl ahnte, wie sehr sie Duncan noch immer liebte. Nein, vermutlich war er davon überzeugt, dass sie Frasyer ergeben war. Nur das Amulett hatte ihn dazu gebracht, ihr
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