Der Schrecken aller Geister
Pfiff, derDetektiv?“
„Erstens“, Balduin ließ seine Kulleraugen rollen, „mein lieber Herr, bin ich nicht zufällig Balduin Pfiff, sondern mit Absicht, und zweitens, wer, glauben Sie wohl, geht um diese Zeit in meine Wohnung, he?“
„Klick!“ machte es in diesem Moment, und sie sahen einander nicht mehr. Die Treppenbeleuchtung war verloschen.
„Klick!“ und schon wurden sie wieder belichtet. Die Dame mit dem „Quer-durch-den-Garten-Hut“ hatte blitzschnell ihre Moppelfinger auf den Knopf geknallt.
„Erlauben Sie, daß wir uns vorstellen“, sagte der Schmale, von Balduin Pfiff insgeheim bereits „der Faden“ getauft, und er hielt ihm eine Karte entgegen.
„Oooouuurrrg“ drang es in die Stille. Balduin Pfiff tippte mit dem Daumen gegen seinen prallen Bauch.
„Das war der da. Der brummt immer um diese Zeit, hehehe!“ Der „Faden“ schluckte und sah dabei drein, als würde er sich am liebsten hinter der Lore von der Visitenkarte verstecken.
„Wir wissen, daß diese Zeit für einen Besuch sehr ungewöhnlich ist“, sagte diese jetzt.
„Man könnte schon fast sagen ungehörig!“ Herr Massukat schien noch schmaler zu werden und nahm erneut den Hut vom Kopf. „Wissen Sie, Herr Pfiff, wir haben ziemlich lange gebraucht, bis wir Sie gefunden haben.“
„Ei der Daus und Donnerlittchen!“ rief Balduin Pfiff, und das dünne Männchen zuckte erschrocken zusammen. Aber wenn der Detektiv etwas aus ganzer Seele verabscheute, dann war es das Herumstehen in Hausgängen und Treppenhäusern.
Forsch rief er: „Obwohl es nach 21 Uhr ist, wollen Sie dem Meisterdetektiv noch eine Geschichte erzählen. Also muß es eine wichtige Geschichte sein, denn sooooonst wären Sie ja viel, viel früher gekommen! Habe ich recht?“
Beide nickten.
„Und was sagt Balduin Pfiff dazu? Er sagt: Wichtige Geschichten gehen vor! Wichtige Geschichten muß man sich anhören! Treten Sie ein! Komm, Pinsel!“
„Vielen, vielen Dank!“ Die Dame mit dem Gemüsehut und den vielen Pfunden strahlte.
„Wirklich sehr freundlich von Ihnen!“ versicherte Kristian, der Faden.
Balduin Pfiff bugsierte seine späten Gäste in die gute Stube. Er rückte einen Sessel rechts neben den Tisch und den zweiten links daneben.
„Bitte, werfen Sie sich hinein, ich bin gleich wieder da!“ Und zu Pinsel, der nach vier Meter Anlauf gerade zur Landung auf seiner Sofalieblingsecke ansetzte: „Du gehst auf deinen Platz, alter Fliegenschreck! Strafe muß trotz allem sein!“
Mit eingezogenem Stummelschwänzchen verließ Pinsel das Eckchen und trottete zum Ofen hin.
„Hat er was ausgefressen?“ erkundigte sich Frau Massukat. Es klang nach Mitleid.
„Im wahrsten Sinne des Wortes, das hat er. Und zwar den Inhalt eines braunen Päckchens von Fleischermeister Gurgel.“ Balduin Pfiff stampfte wild mit dem Fuße auf, daß das Glaszeug klirrte: „Heiliges Kanonenröhrchen, mit einem Kilo allerfeinstem Hackfleisch.“
Herr und Frau Massukat sahen bestürzt drein und wiederholten wie aus einem Mund: „Ein Kilo Hackfleisch?!!“
Balduin Pfiff verschwand in die Küche.
Links-zwo-drei-vier...
„Wau-wau!“ machte Pinsel beleidigt.
Mit Liiinks-zwoooo-dreihhh-viiiier kam der kleine Detektiv zurück. Vorsichtig balancierte er dabei sein bis zum Rand gefülltes Buttermilch-Spezial-Trinkglas.
Behutsam stellte er es auf dem Tisch ab.
„Buttermilch!“ sagte er.
„Buttermilch?“ wiederholte der Faden. Dabei verzog er sein Gesicht so sehr, daß aus dem kleinen viereckigen Bärtchen ein krummer Strich wurde.
Balduin Pfiff ließ seine 199 Pfund sanft auf das Sofa sinken. „Buttermilch muß ich immer im Sitzen trinken“, erklärte er und zog das Glas mit äußerster Konzentration zu sich heran, hob es hoch, führte es an den Mund und...
Beim frischgebadeten Samuel, die Augen der beiden Massukats wurden rund wie Untertassen. So was hatten sie noch nicht einmal im Zirkus gesehen. Wie hypnotisiert beobachteten sie, wie Balduin Pfiff mit geschlossenen Augen das Glas immer steiler aufstellte und die Milch in sich hineinlaufen ließ. Kristian, der Faden, bemerkte gar nicht, wie er im gleichen Rhythmus mitschluckte.
„Oooooaaaaah“, seufzte Balduin schließlich und setzte das leere Glas mit Schwung auf die Tischplatte zurück. Er schnalzte mit der Zunge, wischte sich den Buttermilchschnurrbart vom runden Gesicht und nickte den beiden zufrieden zu.
„Das war viel!“ sagte der zierliche Kristian voller Ehrfurcht.
„Wieviel war das?“
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