Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
unternehmen werde? Ich verfolge noch eine Spur, zusammen mit einem Kollegen aus dem Archiv, der die Bestände dort nach Filmen oder Fotos dieser Mädchen durchforstet. Außerdem muss ich mir überlegen, wie ich Zugang zu McKees SUV bekomme. Ich muss seine Bankunterlagen einsehen und kontrollieren, ob er ungewöhnliche Geldsummen erhalten hat.«
»Für den Fall, dass er für Informationen über die Mädchen in ihren Akten bezahlt wurde?«
»Genau. Und ich muss seine Personalakte hinsichtlich seiner Fehlzeiten überprüfen. Ich muss wissen, ob er im Büro war, als die Mädchen wahrscheinlich entführt wurden, oder ob es nach ihrem Verschwinden Tage gab, an denen er gefehlt hat … solche Dinge. Ich muss mir einfach ein viel klareres Bild von dem Menschen verschaffen, mit dem ich es zu tun habe.«
»Und wenn er doch nicht Ihr Mann ist? Wenn Sie die ganze Zeit über in der falschen Richtung suchen?«
»Teufel auch, so ist die Polizeiarbeit. Darum geht es für einen Detective. Man sucht und sucht, bis man alles gesehen hat, und dann sucht man woanders. Im Augenblick ist er mein einziger Kandidat, und bis ich bewiesen habe, dass er nicht unser Mann ist, bleibt er mein Hauptverdächtiger.«
»Haben Sie denn ein Bauchgefühl?«
»Ja.«
»Und was sagt es Ihnen?«
»Er hängt drin. Das spüre ich. Ich weiß nicht, ob er der Mörder ist, aber er steckt mit drin. Verdammt, er könnte natürlich etwas völlig anderes getan haben, das ihn so schuldig wirken lässt. Aber dieses Grundgefühl werde ich einfach nicht los.«
»Und diesem Gefühl vertrauen Sie?«
»Das muss ich. In einigen Fällen war es das Einzige, was mich durch eine Ermittlung getragen hat.«
»Gut, Frank, belassen wir es für heute dabei. Ich möchte, dass Sie darüber nachdenken, wie Sie innerlich zu dieser Sache stehen. Ich möchte nicht, dass Sie von dem Fall total vereinnahmt werden, sondern Sie sollten sich ab und zu ein paar Minuten Zeit nehmen und sich daran erinnern, dass Ihr Leben auch aus anderen Aspekten besteht, die genauso wichtig sind wie Richard McKee.«
»Zum Beispiel?«
»Nun, wenn Sie mir diese Frage stellen, wird mir klar, dass wir noch eine ganze Menge Arbeit vor uns haben.«
»Genug jetzt. Wenn es so ist, dann ist es eben so. Für mich gibt es derzeit nichts Wichtigeres als Richard McKee. Das Einzige, was da heranreichen könnte, ist Caitlin. Aber ich glaube nicht, dass sie mir im Moment auch nur die Uhrzeit sagen würde. Darum kümmere ich mich, wenn diese Sache aufgeklärt ist.«
»Und wenn sie nicht aufgeklärt wird?«
»Oh, ich glaube schon, dass sie sich aufklärt, Doktor Griffin. Auf die eine oder andere Art gibt es ein Ergebnis.«
57
Um elf Uhr traf Parrish an Carole Paretskis Haus ein. Er hätte bloß den Broadway überqueren und zwei Blocks Richtung Osten fahren müssen, um zu Karen Pulaskis früherer Adresse zu gelangen.
Radick befand sich zusammen mit einem Uniformierten in einem der Schlafzimmer. Als Parrish die Treppe hinaufgestiegen war, hörte er Carole Paretskis Stimme irgendwo im Hintergrund. Es klang, als würde sie mit jemandem übers Handy telefonieren.
Radick begrüßte Parrish mit einem Nicken, schaute hoch in eine Ecke des Zimmers und deutete mit der Hand dorthin.
Parrish folgte seinem Blick, entdeckte aber nichts außer einem kleinen Loch, das sich genau in der Ecke befand. Es war nicht größer als ein Cent-Stück.
»Das hier ist das Zimmer der Tochter«, erklärte er. »Und das Loch ist mit voller Absicht gebohrt worden. Ich konnte einen Kugelschreiber hineinstecken, ohne auf Widerstand zu stoßen.«
»Denken Sie dasselbe wie ich?«, fragte Parrish.
»Könnte schon sein.«
Als Carole ihr Telefonat beendet hatte, fing Radick sie im Treppenhaus ab. »Wir müssen da hoch«, sagte er und deutete zum Dachboden.
Carole trat einen Schritt zurück und zeigte Radick die Klappe in der Decke vor der Badezimmertür. »Es liegen nur in einer Hälfte Bodendielen«, sagte sie. »Er hat mit dem Ausbau angefangen, ihn aber nie zu Ende gebracht. Es gab irgendein Problem mit der Genehmigung. Seien Sie vorsichtig, sonst brechen Sie durch.«
»Ging Richard oft nach oben?«, fragte Parrish.
»Hin und wieder. Er bewahrte da oben Unterlagen auf; Akten von der Arbeit, die er manchmal brauchte.«
»Warum verstaute er sie dann auf dem Dachboden?«
»Aus Sicherheitsgründen, sagte er. Er wollte nicht, dass sie im Haus herumlagen.«
Radick warf Parrish einen Blick zu, der beinahe unmerklich den Kopf schüttelte.
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