Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
schlug Valderas vor. »Setzen Sie ihn unter Druck. Wenn man die Öffentlichkeit um Unterstützung bittet, ist das eine Art moralische Verpflichtung, oder? Wer sich weigert, muss damit rechnen, sich verdächtig zu machen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht …«
»Dann tun Sie es. Packen Sie ihn nicht zu hart an, aber hart genug, um ihn gesprächig zu machen. Unter Druck geben sie immer klein bei. Es geht nur darum, den Druck so geschickt auszuüben, dass sie ihn nicht spüren, bis es zu spät ist.«
Parrish rief Radick an und forderte ihn auf, sich in Carole Paretskis Haus zu beeilen und so bald wie möglich zurück zum Revier zu kommen. Als Nächstes versuchte er es bei Foley, bekam allerdings Lavelle an den Apparat und bat diesen, McKee noch einmal frühzeitig gehen zu lassen. Lavelle fragte nicht nach den Gründen für Parrishs Ansinnen und erklärte nur, dass McKee zur Mittagspause Schluss machen könne. Sobald Radick im Revier auftauchte, schickte Parrish ihn los, um McKee abzuholen, und als beide zusammen eintrafen, war McKees Nervosität mit Händen zu greifen.
»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen«, lauteten seine ersten Worte, als Parrish ihn zum Verhörzimmer führte. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Alles, an das ich mich im Zusammenhang mit diesen Fällen erinnern kann. Ich wüsste wirklich nicht, was ich Ihnen jetzt noch sagen könnte.«
Parrish schwieg einige Sekunden lang. Dann zog er seine Jacke aus, nahm Platz und erkundigte sich, ob er irgendetwas für McKee holen lassen könne.
»Ich will einfach wieder zur Arbeit. Oder nach Hause«, erwiderte McKee. »Was ich nicht will, ist, hier sitzen und mit Ihnen reden.«
Parrish lächelte. Er nickte Radick zu, der daraufhin auf einem Stuhl neben der Tür Platz nahm. Er befand sich hinter McKee, eine Position, die nur dazu diente, den Befragten nervös zu machen und zu verunsichern. McKee warf einen Blick über seine Schulter. Radick lächelte ihm zu. McKee drehte sich wieder zu Parrish um.
»Erzählen Sie mir, was im Juni 2002 passierte, Richard.«
»Was? Wovon, zum Teufel, reden Sie jetzt?«
»Das kleine Mädchen, Richard … das Mädchen auf dem Spielplatz.«
»Oh, um Himmels willen, das meinen Sie wohl nicht ernst. Das war vor sechs Jahren, und außerdem haben die Unterstellungen sich in Luft aufgelöst. Es war völliger Blödsinn, und meines Wissens hat niemand mehr darin gesehen als die lächerliche, haltlose Fantasie eines naiven kleinen Mädchens.«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Verdammt, wieso eigentlich? Wenn Sie davon wissen, steht es doch in den Akten, was es übrigens eigentlich nicht dürfte. Ich wurde nicht festgenommen, es gab keine offizielle Anzeige und erst recht keine Anklage. Die ganze Sache ist irrelevant.«
»Erzählen Sie es mir zuliebe, Richard.«
McKee drehte sich zu Radick um. Dessen Miene war kalt und ausdruckslos.
»Ich ging damals mit den Kindern häufig in den Park. Alle paar Tage eigentlich. Dort begegnete ich hin und wieder einer Frau, die ihre Tochter ebenfalls zum Spielen brachte. Die Tochter dieser Frau und Sarah spielten zusammen. Und dieses Mädchen, sie war vielleicht neun oder zehn Jahre alt, erzählte ihrer Mutter, ich hätte etwas sexuell Anzügliches zu ihr gesagt.«
»Was sagten Sie denn zu ihr?«
»Ich sagte nichts, das ist doch genau der Punkt. Ich sagte kein verdammtes Wort.«
»Okay, und was hat das Mädchen behauptet , von Ihnen gehört zu haben?«
»Ihre Intonation gefällt mir nicht, Detective. Ganz und gar nicht.«
»Welche Intonation meinen Sie?«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine. Ihr Tonfall impliziert, dass die Behauptung des Mädchens wahr sein könnte.«
»Dann entschuldige ich mich, Richard. Es war nicht meine Absicht, so zu klingen. Ich wollte nur wissen, was das Mädchen seiner Mutter gegenüber behauptet hat, mehr nicht.«
»Es ist widerlich. Ich lehne es ab, das auch noch zu wiederholen.«
»Bitte, Sir, wenn es möglich wäre.«
»Sie sagte … sie erzählte ihrer Mutter … Gott, muss ich das wirklich sagen? Ich kapiere nicht, warum ich überhaupt hier bin. Ich fühle mich mit dieser Situation wirklich nicht wohl, Detective. Ich begreife nicht, was Sie für einen Grund sehen, mich hierherzubringen. Ich sollte im Büro sein. Sie erheben doch keine Vorwürfe gegen mich, oder? Oder?«
»Nein, Richard, wir erheben keine Vorwürfe. Meinen Sie denn, es gibt irgendetwas, das wir Ihnen vorwerfen sollten?«
McKee lachte herablassend.
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