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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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stand die Frau auf und ging. Wie hätte sie sich wohl verhalten, wenn Dalziel in Ledermontur auf einem Motorrad aufgetaucht wäre?, fragte sich Wield. Wahrscheinlich nicht anders. Die Macht der Natur gehorchte keinen menschlichen Regeln.
    Er setzte sich und brachte den Dicken auf den neuesten Stand.
    Er hatte zwar kein überschwengliches Lob erwartet, aber doch eine gewisse Anerkennung dafür, dass er den Morgen sinnvoll genutzt hatte.
    »Du meinst also, du hast diese beiden Einbrüche aufgeklärt? Verdammt noch mal, Wieldy, ich hab dich hiergelassen, damit du einen verschüttgegangenen Dorftrottel auftreibst, und nicht, damit du seinen beschissenen Job für ihn erledigst!«
    »Was du nicht sagst, Chef!«, entgegnete Wield gekränkt. »Und was hast du herausgefunden außer der Qualität von Miss Creeds Backwaren?«
    »Ich?« Dalziels linkes Auge zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Ich hab rausgekriegt, worin George Creeds Sünde bestand. Diese Puddingteilchen musst du probieren. Sie sind köstlich! Und hör auf zu schmollen. Das verdirbt dein Kindergesichtchen!«
    Was für eine taktlose Antwort Wield – immer noch unter dem Einfluss enscombianischen Bekennergeistes – womöglich gegeben hätte, wurde nie bekannt, denn just in diesem Moment hielt ratternd ein uralter Pick-up auf dem Hof, und zwei junge Landarbeiter erschienen in der Tür.
    »Miss Creed«, brüllte einer von ihnen. »Wir kommen wegen dem Essenskram.«
    Dora kam aus der Küche und entschuldigte sich bei Dalziel. »Tut mir leid, aber es wird Zeit, dass die Sachen hier zur Hall hochgehen.«
    »Lass gut sein, Mädel, wir helfen Ihnen beim Aufladen«, sagte der Dicke galant. »Nicht wahr, Sergeant?«
    Und zum zweiten Mal an diesem Tag fand sich Wield plötzlich als unbezahlter Hilfsarbeiter der Guillemards wieder.
    Während er unter dem Gewicht eines Kuchenblechs hinauswankte, sah er, wie Digweed aus seinem Laden trat. Er blickte in Wields Richtung, und der Sergeant wollte etwas sagen, doch bevor er ein Wort herausbrachte, schaute der Buchhändler geflissentlich über ihn hinweg und ging, die schmale, aristokratische Gestalt kerzengerade aufgerichtet, über die Straße, um in der Galerie zu verschwinden.
    Du mich auch!, dachte Wield. Doch weiter konnte er über den Affront nicht nachdenken, denn in diesem Moment erschien, von Justin Halavant chauffiert, Pascoe auf der Bildfläche.
    Pascoe betrachtete den Ort des Geschehens mit gelindem Erstaunen, wohingegen Halavant nur Augen für die Eendale-Galerie hatte, in die Digweed soeben geschlüpft war.
    »Ach, ich muss mal eben in den Morris rüber«, sagte er, »und Thomas beruhigen.«
    »Nein, warten Sie«, sagte Pascoe, der inzwischen ausgestiegen war. »Ich glaube, Mr. Dalziel …«
    »Ich habe nicht die Absicht, außer Landes zu flüchten, Chief Inspector«, sagte Halavant frostig. »Aber ich hab was Besseres zu tun, als hier rumzusitzen, während sich Ihre Leute im Nebenjob als Möbelpacker verdingen.«
    Er jagte den Motor hoch, riss das Steuer herum und schaffte es um Haaresbreite zu wenden.
    »Was sollte das?«, fragte Dalziel.
    »Was weiß ich. Hat vielleicht kalte Füße bekommen«, sagte Pascoe. »Ich hab keine guten Nachrichten, Chef. Wie’s aussieht, hat sich vorletzte Nacht der junge Harold Bendish unter einem Vorwand Zugang zum Scarletts verschafft und hat ein Gemälde gestohlen. Er hatte einen Komplizen, der auch als Cop verkleidet war, vermutlich mit Bendishs zweiter Uniform. Während Mrs. Bayle das Zimmer verließ, um einen fingierten Anruf entgegenzunehmen, hat Bendish das Gemälde entfernt, durchs Fenster hinausgereicht, eine Kopie hereingeholt und an seiner Stelle aufgehängt.«
    »Desperate Dan wird begeistert sein«, sagte der Dicke. »Aber wenn das stimmt, wieso schreit dann dieser idiotische Lackaffe da drüben nicht Zeter und Mordio und droht uns mit einem Brief an seinen Parlamentsabgeordneten?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Es ist fast so, als ob er absichtlich leisetritt. Er hat nichts von dem, was ich ihm erzählte, in Frage gestellt, so, als hätte er es schon gewusst. Ich meine, er hatte das Bild, die Kopie, wenn ich richtig liege, bereits abgehängt.«
    »Und er ist trotzdem nicht gleich zu uns gerannt, um Anzeige zu erstatten?«
    »Nein, Chef. Und noch etwas. Das Original war das Porträt einer Dame von Welt aus dem achtzehnten Jahrhundert. Halavant sagte, es handelte sich um eine seiner Vorfahren. Aber der Lokalgeschichte nach waren die Halavants im achtzehnten

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