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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gesprochen, kam ihr wie ein Todesurteil über die Lippen.
    »Glauben Sie, dass er irgend jemandem Schaden zufügen könnte, Mrs. Toke?«, fragte Wield sanft.
    »Wenn das Leben ein einziges schwarzes Loch ist, wo kann es da noch Schaden geben?«, antwortete sie. »Ich behalte ihn im Auge, keine Sorge. Und sagen Sie Mr. Digweed, dass ich es in Ordnung bringe.«
    »Das wird möglicherweise nicht reichen«, sagte Wield. »Kann sein, dass er trotzdem Anzeige erstatten will.«
    »Nee, sagen Sie ihm, ich werd dafür sorgen, dass er alles bekommt, was er will.«
    »Na, da müsste er bekloppt sein, um so ein Angebot auszuschlagen«, sagte Wield lächelnd.

Vier
    »Ich habe einen untrüglichen Blick für eine Ehebrecherin.«
    E s war später Vormittag, als Andy Dalziel das Schild GESCHLOSSEN ignorierte und die Tür zum Wayside Café aufstieß.
    Überall auf den Tischen waren Kuchenbleche mit Köstlichkeiten ausgebreitet. Es gab Obsttorten und belegte Brötchen und Wurstsemmeln und Kuchen in Springform und Schichtkuchen und Napfkuchen und Trifle und Pudding und Bakewelltörtchen und Rührkuchen und …
    »Wir haben geschlossen«, sagte Dora Creed, die gerade mit einem weiteren Blech aus der Küche kam. »Können Sie nicht lesen?«
    »Doch, kann ich. Das Buch der Bücher«, sagte Dalziel. »Und er sprach, Menschenkind, iss in dich hinein und fülle deinen Leib mit diesem Brötchen, das ich dir gebe.«
    Er bediente sich mit einer Wurstsemmel und schob sie sich in den Mund.
    »Hesekiel 3, 3«, sagte Dora.
    »Ich liebe fromme Frauen«, sagte Dalziel und schluckte den Bissen hinunter. »Da aß ich es, und es war in meinem Munde so süß wie Honig.«
    »Sie sind dieser Polizist, nicht wahr?«, sagte sie.
    »Superintendent Dalziel«, sagte er. »Meine Freunde nennen mich Andy. Und Sie sind Dora Creed, die beste Bäckerin in ganz Yorkshire. Mein Papa war Bäcker, wissen Sie. Ist während der Wirtschaftskrise von Glasgow hier runtergezogen, irgendwann hat ihn Ebor’s geschluckt, und die gehören schon seit langem zu irgendeiner Supermarktkette, und jetzt wird alles nur noch per Computer gemacht. Ich hatte schon ganz vergessen, wie richtiges Gebäck riecht, bis ich hier hereinkam.«
    »Wir haben trotzdem geschlossen«, sagte Dora, schon weniger entschieden. »Ich mach die Sachen fertig, die für das Fest des Squires abgeholt werden.«
    »Sie meinen, das ganze Zeug geht hinauf zur Hall?«
    »Sicher das, ist Tradition. Er speist jeden, der zur Abrechnung kommt.«
    »Tatsächlich?«, meinte Dalziel. »Ich sag Ihnen was, meine Teuerste. Sie machen einfach weiter, und ich werf die eine oder andere Frage ein, wenn Sie gerade vorbeikommen.«
    »Na ja, wenn‘s dienstlich ist«, sagte sie und leistete kaum noch Widerstand.
    »Wenn es noch dienstlicher wäre, hätte es Nadelstreifen an«, versicherte er. »Wie wär’s, wenn ich einfach ein paar Bleche für Sie trage, während wir uns unterhalten?«
    »Und sich gleichzeitig bedienen, was?«, sagte sie streng.
    »Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden«, sagte Dalziel, »5. Mose.«
    »Ich weiß, woraus das ist«, sagte sie. »Ich bin nur erstaunt, wo Sie das alles hinstecken.«
    »Wir beide werden uns prächtig verstehen«, lachte Andrew Dalziel. »Ist das gedeckter Apfel? Mein Lieblingskuchen.«
    »Schon, aber er ist noch nicht geschnitten.«
    »Geschnitten? Sie wollen doch wohl nicht mehr als ein Stück daraus machen?«
    Sie musste lachen, und Dalziel hätte mitgelacht, wenn seine Mutter ihm nicht beigebracht hätte, dass es unhöflich war, mit vollem Mund zu lachen.
    Als Wield zehn Minuten später eintraf, saßen die zwei gut gepolsterten Gestalten an einem der Tische, wobei sich die Köpfe über einem schon etwas gelichteten Blech mit Zuckerwerk beinahe berührten. Dora Creed bestritt größtenteils das Gespräch, was vor allem daran lag, dass sie der Anblick von Dalziels geöffnetem Mund wie das aufgerissene Schnäbelchen eines Vogelkükens sichtlich dazu animierte, unentwegt etwas hineinzustopfen.
    Wield war auf dem Weg zu Digweeds Laden gewesen, als er Dalziels Wagen gesehen hatte. Jetzt zögerte er und fragte sich, ob es klug war, das Tête-à-tête zu stören, und wollte sich gerade zurückziehen, als der Dicke aufsah und rief: »Wächter, ist die Nacht bald hin?«
    »Jesaja 21, 10«, sagte Dora.
    »Elf, glaube ich, meine Liebe«, sagte Dalziel. »Wie wär’s, wenn Sie nachsehen würden, während ich mit Schadrach hier rede?«
    Gefügig, nein, glücklich,

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