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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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auftischen würde. Nur Elsie Toke mag böse Vorahnungen gehabt haben, doch sie hielt so beständig nach ihrem Sohn Ausschau, dass sie gar nicht dazu kam, den Blick nach innen zu wenden.
    Auf Wield wartete, als er den anderen voran die Auffahrt zur Hall erreichte, eines dieser Déjà-vu-Erlebnisse, denn ein ramponierter gelber VW -Käfer stutzte ihm beinahe die Zehen. Vor der Hall kam er schlitternd zum Stehen, und Fran Harding sprang heraus. Auf den Eingangsstufen standen Lillingstone und Kee Scudamore, zu denen sie hinüberrannte.
    »Larry, was ist los?«, rief sie, die sonst so leise sprach, laut vor Angst. »Ich war im Pfarrhaus. Da ist niemand.«
    »Es war Zeit, die Heimlichtuerei aufzugeben«, sagte der Pfarrer. »Ich habe mit Kee gesprochen …«
    »Kee? Aber Caddy hat doch gesagt …«
    »Ihr solltet mir nichts verraten, weil ich vielleicht nicht einverstanden wäre?«, sagte Kee. »Da hatte sie allerdings recht. Natürlich hätte ich nie meine Zustimmung zu etwas gegeben, das meine Schwester wahrscheinlich auf die Anklagebank bringt! Zufällig habe ich selber von der Sache Wind bekommen. Genauso wie zweifellos auch die Polizei.«
    »Die Polizei? Aber Harrys Briefe …«
    »Scheinen nicht angekommen zu sein. Als Harry das klar wurde, wusste er auch, dass es an der Zeit war, sich blicken zu lassen.«
    »Wo ist er denn?«
    Die zwei auf den Stufen antworteten nicht. Sie sahen über Frans Kopf hinweg zu dem Quartett hinüber, das mit Rücksicht auf Bendish langsam von der Green Alley auf das Haus zukam.
    Fran drehte sich um und rief, während sie auf die Gruppe zurannte: »Harry, was machst du denn? Geht’s dir gut?«
    Und schon war sie in seinen Armen und drückte sich an ihn, als ob sie ihre beiden Körper verschmelzen wollte. Es war sexyer als irgendeiner der Pornofilme, die Pascoe sich dienstlich hatte ansehen müssen, und er sah verlegen weg.
    »Das langt, Frollein«, brummte Dalziel. »Lassen Sie dem alten Tom noch was fürs Frühstück übrig.«
    Mit flammendem Blick drehte sie sich zu ihm um und schrie: »Wessen Idee war das? Er darf nicht laufen, davon kann seine Wunde wieder aufgehen.«
    »Nee, Mädel, ich hab nix damit zu tun«, sagte der Dicke. »Der war schon am Rumstreunen, als wir ihn fanden. Aber wo wir gerade von Wunden sprechen, der Ärzteverband könnte durchaus ein Interesse daran haben, sich Ihre Lizenz mal näher anzusehen.«
    Sie funkelte ihn so verächtlich an, dass es einem Geringeren als Dalziel eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hätte, und sank vor Bendish auf die Knie. Einen schrecklichen Moment lang dachte Pascoe, sie würde sich zu einer noch intimeren Liebkosung hinreißen lassen, doch sie tat nichts weiter, als sein Hosenbein aufzurollen und sich die Wunde anzusehen.
    »Komm, setz dich«, sagte sie. »Bevor du dir noch mehr Schaden zufügst.«
    Sie half ihm behutsam zur Treppe hinüber und drängte ihn, sich auf die unterste Stufe zu setzen. Er sah mit stolzer Bewunderung zu ihr auf. Es war ein Anblick, der das Herz eines Tartaren erweicht hätte.
    »Schade, dass nicht auch Ihre Schwester hier ist, Miss Scudamore«, sagte Dalziel.
    »Wieso?«, fragte Kee.
    »Dann müsste ich mich nicht wiederholen, nachdem ich die drei hier verhaftet habe.«
    Die blonde Frau wirkte unbeeindruckt und sagte: »Wenn Sie vielleicht noch eine Minute warten können, ich glaube, da ist sie.«
    Halavants Cabriolet kam in gemächlichem Tempo die Auffahrt hinauf. In der Mitte der Rückbank saß wie ein Staatsoberhaupt, das sich dem Volke zeigt, die aristokratische Gestalt von Edwin Digweed. Doch es war Caddy Scudamore auf dem Beifahrersitz, die die meisten Blicke auf sich zog. Mit ihrem windzerzausten Haar, dem, was von ihrem braunen Oberschenkel zu sehen war, als sie über die Autotür sprang, den vollen Lippen, ihrer frischen Hautfarbe, der Anmut, mit der sich ihr Körper unter dem losen Kittel bewegte, und vor allem vielleicht, weil sie so gar nicht auf ihre eigene Schönheit achtete, wirkte sie neben den beiden anderen Frauen wie eine Sonne neben Kerzenflammen.
    Auch Digweed stieg aus. Er hielt ein Stück Papier in der Hand, und Wield erkannte mit Kennerblick, dass er vor Neuigkeiten platzte. Doch als er die Zusammensetzung der illustren Gesellschaft abschätzte, die er vor sich hatte, beschloss er offenbar, dass er damit noch warten sollte.
    Halavant war vorne um den Wagen herumgegangen und streckte Caddy die Hand entgegen. Sie streckte ihm die Zunge raus, nahm die Hand jedoch und schwenkte

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