Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
lassen.
    Doch als er, während er sich das Hemd in die Hose stopfte, aufsah, stellte er fest, dass es dafür schon zu spät war. Der junge Mann hatte sich in Luft aufgelöst.
    »Wer war das?«, fragte er. »Und wo ist er hin?«
    »Das weiß nur Gott, und der verrät es uns nicht«, sagte Wapshare. »Toke heißt er. Jason Toke. Ein komischer Kauz, aber harmlos, und einen besseren Schützen findet man selten. Wir kaufen ihm ’ne Menge ab. Er hat keine Arbeit – wer hat das schon heutzutage –, und das Geld hilft ihm und seiner Mama. Aber wieso stehen wir hier in der Küche rum, Chief Inspector? Kommen Sie doch in die Bar rüber und machen Sie sich’s bequem, bis Ihre Hose fertig ist.«
    Die Bar war richtig schön – nicht zu groß und nicht zu klein, dabei sehr benutzerfreundlich, mit einer Menge altem Eichenmobiliar, das vom vielen Gebrauch blank poliert war, einem riesigen Kamin mit einem Holzfeuer, ohne ein einziges Pferdehalfter an der Wand und, vor allen Dingen, kein Musik- oder Spielautomat weit und breit. Wapshare zapfte ein paar Halbe, bevor er einen Zaubertrank im Glas hatte, der seinem kritischen Blick standhielt.
    »Na bitte«, sagte er und reichte ihn über den Tresen. »So rein wie das Gewissen einer Nonne.«
    Pascoe zog etwas Geld aus der Tasche, und als Wapshare aussah, als wäre er eingeschnappt, legte er die Münzen sorgsam auf eine Stufenpyramide aus Kupfer und Silber, die neben einem Schild mit der Aufschrift
Rettet unsere Schule
aufragte.
    »Geldsorgen?«, fragte er mit der Anteilnahme eines Vaters, der schon so vielen Spendenaufrufen gefolgt war, dass ihm zuweilen der Verdacht kam, er sei unversehens in den Privatschulsektor geraten.
    »Und ob, aber es fehlt nicht nur an Büchern und Kreide. Wir sind viel schlimmer dran. Wir brauchen genug, um einen Lehrer zu bezahlen, sonst machen sie den Laden dicht und unsere Kinder müssen neun Meilen mit dem Bus nach Byreford fahren.«
    »Das ist ja schlimm«, sagte Pascoe. »Und gehen genug Spenden ein?«
    »Ganz ordentlich, aber nicht genug für ein Gehalt. Das kostet richtig Geld. Die einzige Möglichkeit, da ranzukommen, ist, was zu verkaufen, und wir haben nix zu verkaufen außer unserem Dorfanger. Also entweder keine Schule oder keinen Dorfanger. Verflixt und zugenäht, was? Aber Sie sind bestimmt nicht hergekommen, um über Schulen zu reden, Sir, oder? Allenfalls über die Schule des Lebens.«
    »Weshalb bin ich Ihrer Meinung nach hier?«, fragte Pascoe.
    »Lassen Sie mich raten … wegen Constable Bendish!« Er sah Pascoe ins Gesicht und ließ sein ansteckendes Lachen ertönen. »Ach du liebes bisschen, gucken Sie nicht so geschockt! Das war nicht so schwer, wie Sie vielleicht denken. Sobald sich rumgesprochen hatte, dass Terry Filmer im Karree springt, weil Dirty Harry verschwunden ist, hab ich zu meiner verehrten Gattin gesagt, wetten, dass bald irgend so’n smarter Inspektor aus der Stadt hier reinspaziert und mit seinen diskreten Nachforschungen anfängt? Dann schießen Sie mal los, Mr. Pascoe.«
    Pascoe nahm einen Schluck Bier und kam zu dem Schluss, dass einem Mann, der ein derart gutes Gebräu zapfte, ein bisschen Klugscheißerei zustand. »Dann muss ich wohl«, sagte er. »Ist aber nichts Weltbewegendes. Wir müssen Bendish halt irgendwie auftreiben, aber es ist sein freier Tag, und niemand scheint eine Ahnung zu haben, wo er abgeblieben ist. Wahrscheinlich findet sich eine ganz banale Erklärung …«
    »Etwa, dass er unter einer gefallenen Frau eingeklemmt ist«, sagte Wapshare grinsend. »Der Glückspilz!«
    Pascoe fragte sich, ob dieses Echo auf Dalziels Theorie wohl dörflichem Insider-Wissen entsprang. »Haben Sie ihn deshalb gerade Dirty Harry genannt?«, fragte er.
    »Nein, das ist mir nur so rausgerutscht. So ’ne Art Spitzname, den ihm manche Leute gegeben haben«, sagte Wapshare und hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr: »Ich kann es Ihnen auch gleich sagen, Sie kriegen’s ja sowieso bald raus, Ihr Constable Bendish hat sich nicht sonderlich beliebt gemacht. All die Jahre hatten wir den alten Chaz Barnwall, ein reizender Mensch, und als er letzten Herbst in Pension ging, haben wir hier für ihn ’ne Party geschmissen, die bis in die Puppen dauerte. Am nächsten Abend geht Punkt elf die Tür auf und Junker Harold kommt reinmarschiert. ›Willkommen in Enscombe‹, sag ich. ›Sie nehmen doch einen Schluck gegen die Kälte?‹ Er verzieht keine Miene und sagt: ›Ich habe nicht die Absicht, und zwar aus zweierlei

Weitere Kostenlose Bücher