Der Schrei des Eisvogels
’n Mund gefallen. Deshalb hat es keinen gewundert, als er beschloss, nich länger wie ’n Schwein zu leben, und so is er dann plötzlich verschwunden. Aber zwanzig Jahre später hat es alle fast umgehauen, als, na wer wohl, im Dorf auftaucht und aussieht, redet und Geld ausgibt wie ein echter Gentleman. Tja, niemand anders als Junker Jake!«
»Wie haben die Leute reagiert?«, wollte Pascoe wissen.
»Sie haben sich gefreut, die meisten jedenfalls. Wir Enscomber sehen es gerne, wenn einer von uns es zu was bringt, solange sie nich vergessen, wo sie herkommen. Jake war ’n richtiger smarter Dandy, aber er war großzügig zu allen alten Freunden und auch denen, die von seiner Familie übrigblieben, nachdem die Pocken und der Galgen ihren Tribut gefordert hatten. Dann, eines Tages hat er es sich in den Kopf gesetzt, zur Old Hall rüberzuspazieren, und so schickte er ihnen seine Karte vorbei. Ein bisschen provozierend vielleicht, aber sie hätten schließlich nix weiter zu tun brauchen, als ihn wissen zu lassen, dass sie nich zu Hause sind.«
»Aua«, sagte Pascoe. »Ich nehme an, das haben sie nicht.«
»Nein. Sie haben ihn zwanzig Minuten vor der Tür stehen lassen. Dann brachte ihm der Butler seine Karte zurück und richtete ihm aus, wenn er ein paar Schritte ums Haus zur Küche ginge, würde der Koch ihm gerne dieselbe Höflichkeit wie allen anderen Mitgliedern seiner Familie angedeihen lassen und für ihn ein paar Essensreste und abgelegte Kleider zusammenkratzen. Das war der größte Fehler, den sie je gemacht haben.«
»Inwiefern?«, fragte Pascoe, zum Teil, weil er die Erzählung etwas beschleunigen, vor allem aber, weil er es wissen wollte.
»Die meisten hier glauben, dass Jake, wenn die Guillemards höflicher gewesen wären, früher oder später wieder nach London, oder wo immer er hergekommen war, zurückgegangen wäre. Aber er machte ganz was anderes. Er schnüffelte ein bisschen rum und kriegte spitz, dass die Guillemards, die die üble Gewohnheit hatten, alles hiesige Land aufzukaufen und jeden anderen, der sich dafür interessierte, auszubooten – also, dass sie auf dieses Haus hier und ’n Stück Land weiter den Fluß runter direkt am Scarletts Pool, dem besten Angelplatz an der Een, scharf waren. Im letzten Moment kam Jake ihnen in die Quere, erhöhte den Einsatz und schnappte den Guillemards beides vor der Nase weg! Damit nich genug, verlobte er sich als nächstes mit einer Cousine zweiten Grades der Finch-Hattons von Byreford, die es leid war, die arme Verwandte zu sein. Die Finch-Hattons sind echter Yorkshire-Adel, und als sie sahen, dass Jake das nötige Kleingeld hatte, waren sie froh, einen Mund weniger stopfen zu müssen. Natürlich luden sie die Guillemards zur Hochzeit ein, die extra außer Landes reisen mussten, um sich davor zu drücken!«
»Eins zu null für Jake«, applaudierte Pascoe. »Aber wie wurde dieses Haus zum Pub?«
»Wollte eben dazu kommen. Jake ließ sich hier nieder, gründete eine Familie und schickte, als es soweit war, seinen Ältesten, Jeremy, nach Oxford. Die haben ihm den richtigen Schliff verpasst, war ziemlich künstlerisch angehaucht, als er zurückkam. Als er heiratete, wollte er ein eigenes Haus, und er war es, der auf dem Stück Land, das sein Vater am Fluss gekauft hatte, Scarletts baute. ’ne ganze Weile war es zwischen den Halavants und Old Hall ruhig gewesen, aber das brachte die Guillemards wieder auf achtzig. Zunächst mal beschwerten sie sich, die Leute vom Bau würden beim Angeln stören. Und als sie dann merkten, was für ’n Haus Jeremy baute, spielten sie völlig verrückt. Behaupteten, es säh aus wie ’n chinesisches Bordell, und so ’ne Schande dürfte man im gottesfürchtigen Eendale nicht durchgehen lassen. Natürlich stachelte das Jeremy nur an, dem Haus soviel Glanz wie möglich zu verpassen.«
»Und was hielt das Dorf von der Sache?«, fragte Pascoe.
»Warn begeistert«, sagte Wapshare. »Hatten seit dem Bürgerkrieg nich mehr soviel Spaß gehabt. Sehen Sie, Mr. Pascoe, die Leute hier nehmen nicht Partei, sie nehmen Platz, lehnen sich zurück und genießen die Vorstellung. Aber die meisten fanden, dass die Guillemards zu weit gingen, als sie Jeremys fast fertiges Haus in Brand setzten.«
»Großer Gott! Aber damit sind sie ja wohl nicht durchgekommen?«
»Nein? Sie müssen bedenken, dass nichts je bewiesen wurde, auch wenn alle Bescheid wussten«, sagte Wapshare. »Die Guillemards waren auf ’ne Menge Gefälligkeitsaussagen
Weitere Kostenlose Bücher