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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen würde.
    »Nachdem ich Bendish in der Corpse Cottage nicht angetroffen habe, bin ich gleich zum Pfarrhaus gegangen«, sagte Filmer. »Aber Mr. Lillingstone war nicht da.«
    »Ich dachte, die Polizeistation ist in der Church Cottage?«, sagte Wield.
    »Ist sie auch. Aber die Leute hier nennen sie Corpse Cottage. Das Pfarrhaus ist das einzige Gebäude, von dem aus man die Wache im Blick hat, deshalb bin ich sofort hin. Aber wie gesagt, keiner da.«
    Wield drehte sich zu Digweed um und sagte: »Wenn die Dienstmütze auf der Statue ein Scherz sein sollte, Sir, fällt Ihnen da wohl irgend jemand ein, der an solchen Streichen Geschmack finden könnte?«
    »Kinder vielleicht«, sagte Digweed. »Oder irgendein Kindskopf. Streiche mit Polizeimützen waren, fällt mir ein, ein beliebter Zeitvertreib beim Drones’ Club.«
    Wield, der die Verfilmung gesehen hatte, sagte: »Sie kriegen in Enscombe wohl ’ne Menge Gecken wie Bertie Woosters zu sehen, was?«
    Digweed nickte gönnerhaft und sagte: »Guy Guillemard kommt ihm vermutlich am nächsten.«
    »Guy?«, sagte Wield, dem der Name wieder einfiel. »Der junge Mann, den Ihre Nachbarin gestern nicht bedienen wollte? Wer ist das eigentlich?«
    »Eigentlich ist er der Großneffe von Squire Selwyn und, leider Gottes, auch sein Erbe, obwohl seine Enkelin eigentlich den rechtmäßigeren Anspruch hätte.«
    »Und wieso erbt sie dann nicht?«
    »Weil das Salische Gesetz zu den mittelalterlichen Praktiken gehört«, ließ Digweed ihn wissen, »die sich in den besseren Kreisen von Yorkshire immer noch größter Beliebtheit erfreuen.«
    Wield drehte sich nach vorne um und vertiefte sich erneut in seine Akte. Wenn der alte Knabe dachte, er würde ihn jetzt fragen, was das Salische Gesetz sei, dann hatte er sich getäuscht.
    Sie waren nur noch wenige Meilen von Enscombe entfernt auf der schmalen, kurvenreichen Landstraße, an die sich Wield vom Vortag erinnerte, mit einem uralten Steinwall auf der einen und einer nicht viel jüngeren Hecke auf der anderen Seite.
    Hinter ihnen erschien ein Postauto, fuhr eine Zeitlang dicht auf, um dann auf der ersten, nicht sehr langen geraden Strecke unter warnendem Hupen an ihnen vorbeizuschießen.
    »Bisschen riskant«, sagte Wield.
    »Er ist spät dran für die Mittagsleerung«, sagte Filmer. »Ernie Paget ist immer spät dran. Außer, wenn er pünktlich ist, weil er irgendwo anders nicht zu spät kommen will.«
    »Immerhin beeilt er sich, wenn er’s eilig hat«, bemerkte Digweed gereizt. »Müssen wir so trödeln? Ich hab nämlich zu tun, was man von Ihnen offenbar nicht behaupten kann!«
    »Eile mit Weile«, entgegnete Wield, was nicht sonderlich originell war, sich aber fast augenblicklich als richtig erwies. Der rote Postwagen war um die nächste Kurve verschwunden. Plötzlich hörten sie kreischende Bremsen, ein vielstimmiges Blöken und ein lautes Krachen!
    »Jesus Maria!«, rief Filmer und trat fest auf die Bremse.
    Sie schlitterten einigermaßen kontrolliert um die Kurve und kamen quer zur Straße mit einem heftigen Ruck zum Stehen, so dass Wield und Filmer aneinander stießen und Digweed, die Arme um die Kopfstützen der Vordersitze geschlungen, nach vorne geworfen wurde.
    Das Postauto hatte weniger Glück. Es war halb durch die Hecke gefahren und rittlings über einem schmalen, doch tiefen Abwassergraben gelandet. Unter der verbeulten Motorhaube schoss Dampf hervor.
    Auf der Straße vor ihnen wimmelte es von Schafen, die in Panik durcheinanderliefen. Ein Mann arbeitete sich durch die Herde und brüllte etwas, das wie Beschimpfungen klang, sich aber als Anweisungen an zwei Border Collies erwies.
    »Alles okay bei Ihnen beiden?«, erkundigte sich Wield. Filmer grunzte lakonisch, wohingegen Digweed weder im Leiden noch in seiner Ausdrucksweise spartanische Tugenden pflegte.
    »Okay? Nicht genug damit, dass Sie mir zwei Stunden meiner friedlichen, einträglichen Existenz rauben, haben Sie es jetzt auch noch auf meine Existenz als solche abgesehen, und Sie wagen zu fragen, ob ich okay bin?«
    Er legte eine wirkungsvolle Pause ein, wobei sein Gesicht vor Wut so gerötet war, dass er viel gesünder aussah als mit seiner gewöhnlichen Gelehrtenblässe. Wield kam zu dem Schluss, dass er okay war.
    »Sehen wir mal nach Ernie«, sagte Filmer.
    In diesem Moment ging die Tür des Postautos auf, und der Fahrer stolperte heraus. Sein Gesicht war blutverschmiert, er gab einen schrecklichen Schrei von sich und sackte,

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