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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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kaum dass die Füße den Boden berührten, zur Seite.
    Wield befürchtete das Schlimmste und rannte hinüber.
    »Nicht bewegen«, rief er in Erinnerung an seinen Erste-Hilfe-Kurs.
    Die Maske aus Blut wandte sich zu ihm.
    »Nicht bewegen? Ich hab meinen scheiß Wagen zu Schrott gefahren und mir die scheiß Nase gebrochen, jetzt steh ich mit den Hachsen in diesem verfluchten, eiskalten Wasser, und Sie sagen, ich soll mich nicht bewegen? Wer zum Teufel sind Sie? Jeremy Beadle, oder was? Na, ziehn Sie mich schon raus, ich geh unter!«
    Auch der Bauer war hinzugekommen. Er war mittelgroß und hatte eine derart kräftige Brust und so breite Schultern, dass sich unter ihrem Gewicht seine Beine scheinbar verbogen hatten. In der Rechten hielt er einen Hirtenstab, dessen Griff aus dem Horn eines Schafsbocks ein kunstvoll geschnitzter Falkenkopf zierte. Er hielt ihn dem Postboten hin und zog den Verunglückten auf die Straße.
    »Du hast die Hecke eingerissen, Ernie Paget«, sagte er. »Mich würde interessieren, wer mir den Schaden ersetzt.«
    »Ich scheiß auf deine Hecke. Hab Schwein gehabt, dass es nicht deine Mauer gewesen ist.«
    »Von wegen«, sagte der Bauer. »Von der Mauer wärst du wahrscheinlich abgeprallt. Donnerwetter, wenigstens einmal im Leben sind Sie sofort da, wenn man Sie braucht, Terry Filmer! Als ich das letzte Mal die Polizei gerufen hab, da hat’s ’ne halbe Ewigkeit gedauert, bis endlich jemand kam. Verhaftet ihr ihn wegen Geschwindigkeitsübertretung?«
    »Sind Sie alleine, George?«, entgegnete Filmer. »Sie wissen doch, was das Gesetz vorschreibt, wenn man Vieh auf der Straße hat. Ein Mann vorne, ein Mann hinten.«
    »Ach wirklich? Hab heute ein bisschen Personalmangel. Ihr ja auch, wie man hört!«
    Wield war der Sarkasmus nicht entgangen, doch er war zu sehr damit beschäftigt, sich Paget genauer anzusehen, um dem nachzugehen. Abgesehen von der Nase und ein paar geprellten Rippen konnte er keine Verletzungen entdecken, aber erst bei einer gründlichen Untersuchung im Krankenhaus war herauszufinden, ob der Mann sich vielleicht doch etwas gebrochen hatte.
    »Schaffen wir ihn in den Wagen«, sagte er zu Filmer. »Und Sie könnten schon mal Hilfe rufen.«
    »Warten Sie einen Moment. Ich bring nur eben die Schafe in Ordnung, dann können Sie auf ’ne Tasse Tee ins Haus rüberkommen«, sagte der Bauer.
    Er drehte sich um und fing erneut an, Befehle zu brüllen, überflüssigerweise, wie Wield schien, da die Hunde die Herde bereits sehr geschickt durch ein offenes Tor auf das Feld hinter der Mauer getrieben hatten. Ein kalter Wind blies ins Tal herab, und Wield fröstelte. Dem Bauern schien es nichts auszumachen, obwohl er nur ein kurzärmeliges kariertes Hemd trug und keine Mütze auf dem kurz geschorenen Kopf hatte. Wind und Wetter hatten seine Haut gegerbt. Seine Hose, die er in der Taille mit einer Kordel zusammengebunden hatte und die aussah, als könnte sie von alleine laufen, hatte er in zwei unterschiedliche Gummistiefel gestopft, einen schwarzen und einen grünen.
    »Ich habe nicht die Absicht, mich noch länger hier aufzuhalten«, erklärte Digweed, der während der letzten Minuten erstaunlich schweigsam gewesen war. »Bis Sie das alles hier geregelt haben, sitze ich längst gemütlich bei mir daheim.«
    »Würden Sie mir einen Gefallen tun, Mr. Digweed«, fragte der Postbote, während Filmer ihm zum Polizeiauto hinüberhalf, »und Mr. Wylmot in der Post ausrichten, dass ich aufgehalten wurde?«
    »Selbstverständlich«, sagte Digweed. »Ich hoffe, Sie sind bald wieder wohlauf, Mr. Paget.«
    Wield war, auch wenn er sich nichts anmerken ließ, über diese zarte Regung menschlicher Gefühle erstaunt. »Warten Sie einen Moment, Mr. Digweed«, sagte er. »Ich gehe mit Ihnen zu Fuß ins Dorf.«
    Er folgte Filmer zum Wagen und sagte: »Ich überlasse es Ihnen, das hier zu regeln. Ich will unterdessen zur Old Hall, um mich mit Mr. Pascoe zu treffen. Wie wär’s, wenn wir uns in der Church Cottage treffen würden, sagen wir, in ungefähr einer Stunde?«
    »In Ordnung«, sagte Filmer. »Versuchen Sie, nicht auf den Sitz zu bluten, Ernie.«
    »Dieser Bauer, wie war noch sein Name?«
    »Creed, George Creed. Crag End da oben ist sein Hof.«
    Er zeigte auf ein weißgetünchtes Bauernhaus, das wie der letzte Backenzahn im Kiefer aus dem felsigen, nach Westen hin ansteigenden Boden ragte. Der Pfad dorthin war steil und ungeschottert. Wield hoffte, dass die Rippen des Postbeamten und möglichst auch

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