Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Buchhändler legte sein überlegenes Lächeln auf und sagte: »Lassen Sie mich raten. Sie haben eine beträchtliche Menge Western-Heftchen gelesen, und da ist Ihnen eingefallen, dass immer dann, wenn Clint oder Curly oder Sundance einen Bussard kreisen sieht, irgendwo darunter eine Leiche liegt. Stimmt’s?«
    »Nein«, sagte Wield unbeeindruckt. »Hab nur gedacht, wie großartig sie aussehen. Aber aus reiner Neugier, Sir, wenn nun jemand tot oder verletzt dort liegen würde, könnten sich Bussarde davon angezogen fühlen?«
    »Schon möglich. Sie sind Aasfresser. Aber das Paar da ist zu hoch oben, um sich mit etwas anderem zu befassen, als das schöne Wetter zu genießen.«
    »Dann glauben Sie also, dass sie sich ihres Lebens freuen?«
    »Es wäre arrogant, anzunehmen, dass sie nur anderen Freude bereiten, Sergeant. Obwohl ich vermute, dass sie, wie manche Exemplare der menschlichen Spezies auch, zum Beispiel Bankiers und Immobilienmakler und, mit Verlaub, eine bestimmte Sorte Polizist, sich an keiner anderen Kreatur erfreuen können, es sei denn als Beute.«
    Er lächelte. Wenn auch eine Menge Spott darin lag, so war es immerhin der freundlichste Gesichtsausdruck, den Wield bisher von Digweed zu sehen bekommen hatte, und der Sergeant, der schon weitaus schlimmeren Blödsinn gehört hatte, lächelte zurück.
    Es war ein Fehler, da es dem ungeübten Auge eher wie eine bedrohliche Grimasse erscheinen mochte. Digweeds Lächeln verschwand, und er sagte gereizt: »Jedenfalls wären Sie schlecht beraten, wenn Sie Bussarde als Zeichen auf Ihrer Suche nach Bendish benutzen würden. Sehen Sie mal.«
    Am Ende einer Aufwärtsspirale legten die Vögel die Flügel schräg gegen den Wind und schossen an einem Sonnenstrahl entlang so schnell hinab, dass sie vermutlich in einem einzigen Augenblick mehrere Meilen Boden überflogen.
    Als die beiden Männer sich dem Dorf näherten, wurde die Straße allmählich steiler. Sie kamen an einem ausgedehnten Streifen offene Wiese vorbei. Auf einem Schild war zu lesen, dass sich dem königlichen Freibrief Edward des Zweiten zufolge dieses Land als Anger in gemeinsamem Besitz des Dorfs Enscombe befand. Direkt daneben lag die Dorfschule, ein robuster Granitbau, der etwas oberhalb der Straße stand. An einem Holzpfahl neben dem Tor hing ein Plakat mit der Aufschrift
Spendenfonds zur Rettung unserer Schule
und der Abbildung eines Thermometers, das die bisher eingegangene Summe von 650 Pfund anzeigte.
    »Wovor soll sie gerettet werden?«, fragte Wield.
    »Vor den Mächten der Finsternis«, sagte Digweed. »Auch als Ihrer Majestät Regierung bekannt. Da Sie mehr darauf bedacht sind, unsere jungen Leute einzusperren, als sie zu erziehen, ist es vermutlich Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass Schulen heutzutage als kleine Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Sie haben ein Budget. Wird das überschritten, stehen gleich die Konkursverwalter auf der Matte.«
    »Ich hab schon gehört, dass Eltern für Bücher und Ausflüge und so was zahlen müssen«, sagte Wield.
    »Kinkerlitzchen«, sagte Digweed. »Unsere Situation ist so ernst, dass wir vielleicht sogar eine Lehrerin verlieren. In diesem Fall werden die örtlichen Repräsentanten der finsteren Mächte tun, was sie schon seit Jahr und Tag tun wollen, nämlich, hier dichtmachen und unsere Kinder mit dem Bus nach Byreford schicken. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, ich hab was mit Mrs. Pottinger zu besprechen.«
    Eine stämmige grauhaarige Frau war aus dem Haus gekommen und stellte die Kinder in Reih und Glied auf. Wield folgte Digweed über den Schulhof und betrachtete eine in den granitenen Türsturz gemeißelte Inschrift, während der Buchhändler mit der Frau sprach.
    GRUNDSCHULE ENSCOMBE .
Durch den unermüdlichen Einsatz von Reverend Stanley Harding und vielen seiner Gemeindemitglieder im September 1932 erhalten und wieder in Betrieb genommen.
DANK SEI DEM HERRN .
    Digweed und die Frau sprachen über eine Versammlung, die am Abend in Verbindung mit dem Spendenaufruf stattfinden sollte. Digweed schien dem Gemeinderat anzugehören.
    »Und es gibt keine andere Möglichkeit?«, fragte Mrs. Pottinger.
    »Wir haben immer gewusst, dass der Anger unser einziges Vermögen ist. Aber natürlich können wir nichts ohne die Zustimmung des ganzen Dorfs unternehmen.«
    »Und würde überhaupt genug zusammenkommen?«
    »Als Bauland vielleicht. Wir haben schon mal die Fühler ausgestreckt«, sagte Digweed.
    »Gott steh uns bei, dass es so weit kommen

Weitere Kostenlose Bücher