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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gesehen.«
    »Und ob. Hab ich alles Sergeant Filmer erzählt.«
    Er sprach laut und langsam, mit deutlichen Pausen nach jedem Wort, obgleich man nicht hätte sagen können, ob dies eine Nachwirkung des Schlaganfalls war oder nur eine Angewohnheit.
    »Können Sie es bitte auch uns erzählen?«
    Jetzt wandte der alte Mann den Kopf um. Er betrachtete Wield, ohne ihn, wie es schien, wiederzuerkennen, was vermutlich bedeutete, dass seine Sehkraft auf die Ferne zwar Bewegungen erkannte, aber keine Einzelheiten mehr.
    »Ich hab gesehen, wie unsere kleine Madge aus den Büschen gerannt kommt und – patsch bumm – in dieses Motorrad läuft.«
    »Du liebe Güte, das muss aber ein Schock für Sie gewesen sein«, sagte Pascoe.
    »Nee, der Kerl war so langsam, hat sich ja fast nicht vom Fleck bewegt. Sie ist selber schuld gewesen, die Kleine, und ich konnte sehen, dass sie sich nix getan hat. Also ist sie weiter nach Hause gerannt. Und dann taucht Mr. Bendish auf …«
    »Wie? Ich meine, woher?«
    »Aus dem Gebüsch«, sagte Hogbin.
    »Von derselben Stelle, von der Ihre Madge kam?«
    »Und ob. Wahrscheinlich hatte sie was angestellt, und er war hinter ihr her. An sich sind sie gute Freunde, aber sie kann ein freches kleines Biest sein, wenn sie will.«
    »Sie haben also gesehen, wie der Constable und dieser Motorradfahrer miteinander geredet haben …«
    »Und ob. Hatte den Eindruck, dass Mr. Bendish ihm die Leviten gelesen hat.«
    Pascoe lächelte und sagte: »Das wird er wohl verdient haben. Und was ist dann passiert?«
    »Ich bin zum Tee gerufen worden.«
    »Dann haben Sie das Ende dieser … Diskussion nicht mitbekommen?«
    »Nein, aber wahrscheinlich ist sowieso nix dabei rausgekommen. Nich wie bei unserem guten alten Chaz Barnwall. Hat den Kindern schon die Ohren langgezogen, wenn sie ihn nur mal frech angeguckt haben, der alte Chaz. Und wenn gegen ihn jemand zum Schlag ausgeholt hätte, pah, der hätte ihnen mit seinem Schlagstock ’n Scheitel gezogen, sag ich Ihnen!«
    Pascoe wechselte einen verwunderten Blick mit Wield und sagte: »Wie kommen Sie darauf, dass Constable Bendish sich nicht verteidigen würde?«
    »Hab ihn doch selber gesehen, oder? Gar nich lange her. Peng! Und schon geht er auf Grundeis, steht auf, blutet wie ’n Schwein. Und was macht der Kerl? Schleicht sich davon wie ’n Lamm, sieht sich nich mal um.«
    »Wo war das? Und wer hat ihn niedergeschlagen?«, fragte Pascoe.
    Doch der Mann gab keine Antwort, sondern presste nur die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, bis seine Frau dazukam und sagte: »Jetzt übernimm dich nicht, Jocky. Ich glaub, für den Augenblick ist es genug für ihn gewesen, wird so schnell müde. Sie sollten nicht alles glauben, was er sagt, Vergangenheit und Gegenwart geraten bei ihm schon mal durcheinander …«
    Auf diesem Wortschwall wurden die zwei Detectives in die Küche hinausgespült, einen freundlichen, hellen Raum, in dem es aus dem Ofen nach würzigem Gebäck duftete und dessen Wände voller Kinderzeichnungen hingen.
    »Die sind von Madge, oder?«, vermutete Wield.
    »Stimmt. Malt und zeichnet unentwegt, unsere Madge. In der Schule haben sie viel Kunstunterricht. Mrs. Pottinger ist selber ’ne richtig gute Malerin, deshalb meint sie wohl, dass es wichtig ist.«
    »Sie nicht?«, fragte Pascoe schmunzelnd.
    »Solange darüber Rechtschreibung und Rechnen nicht zu kurz kommen, kann’s vermutlich nicht schaden. Aber so komische Sachen malt sie! Das hier ist von gestern abend. Was soll das nun wieder, frag ich Sie.«
    Pascoe sah sich das Bild näher an, das Wield gerade betrachtete. Für ihn sah es aus wie zwei Gestalten in Blau, die miteinander kämpften.
    »Ein Ringkampf?«, vermutete er. »Was meinst du, Wieldy?«
    Doch Wield sagte nichts. Er erinnerte sich an seine ein wenig lüsternen Gedanken, als Harold Bendish gestern um sein Motorrad herumstolziert war und gezeigt hatte, was für ein toller Hecht er war. Und er fragte sich, ob die kleine Madge Hogbin mit übersinnlicher Wahrnehmung gesegnet war, denn für sein schuldbewusstes Auge stellte das Bild eindeutig zwei Polizisten in leidenschaftlicher Umarmung dar!
    Die Detectives lehnten Mrs. Hogbins Einladung zu einer Tasse Tee dankend ab und verließen das Haus.
    Draußen sagte Pascoe: »Was glaubst du? Wie verwirrt ist der alte Knabe?«
    »Nicht besonders, würde ich sagen, und seine Missus noch viel weniger«, sagte Wield. »Es würde Bendishs Bluterguss und die Handverletzung erklären, wenn er in

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